"FERSENTAL GUAT KEMMAN" - Beitrag aus 2013
Viele Namen werden für dieses Tal gebraucht, je nach Sprache und Kultur; in Südtirol verwendet man meistens den Begriff „Fersntol“, die Italiener bezeichnen es fast ausschließlich als „Valle dei Mocheni“, die Einheimischen sagen schlicht und einfach „Bersntol“.
Drei Gemeinden bilden die Sprachinsel Bersntol: Ganz hinten im Tal finden wir auf 1500 Meter die Gemeinde Palai-Palú mit seinen 180 Einwohnern, orografisch links kommt man nach Vlarotz-Florutz mit etwa 450 Personen und schließlich nach Garait-Gereut mit der Fraktion Oachlait mit etwa 370 Menschen – also insgesamt knapp 1000 Personen. Bezüglich der Bevölkerungszahl ist in der Vergangenheit ein permanenter Rückgang zu verzeichnen: Waren es 1951 laut Volkszählung noch 1500 Seelen, gab es 40 Jahre später nur mehr wenig über tausend. Hervorzuheben ist aber, dass etwa 90 Prozent der Bewohner das Fersentalerische auch im Alltag als Familiensprache verwenden – sie kloffn (reden) Fersentalerisch! Und wer auf Besuch bei diesen Gemeinschaften ist, kann getrost darum bitten, dass mit ihm in der Ortssprache „geklofft“ wird. Da wird der Südtiroler staunen, wie leicht das „Bersntolerische“ verstanden werden kann.
Auffällig für dieses Tal ist seine Siedlungsstruktur: Es handelt sich um Streusiedlungen, also um Einzelhofsiedlungen, wie wir sie auch in Südtirol kennen, und wir finden hier nicht eine Ansammlung kleiner Haufendörfer wie sonst im Trentino oder allgemein im romanischen Siedlungsgebiet.
Die drei deutschen Gemeinden im Fersental
Herkunft und Besiedlung
Bei allen Sprachinseln ist davon auszugehen, dass die Gebiete irgendwann einmal zwischen 1000 und 1400 besiedelt worden sind, somit auch das Fersental. Zum Fersental schreibt Bernhard Wurzer in seinem Buch über die Sprachinseln in Oberitalien, dass „die deutsche Besiedlung im Fersental im 14. Jahrhundert in vollem Ausbau begriffen war“. Die Menschen waren in die Gegend gekommen wegen des Weidelandes, der Wälder und der Jagdmöglichkeiten, dann aber auch wegen des Bergbaues, wurden doch vorwiegend Kupfer, Silber, Blei und Eisen abgebaut. Wohlstand und Reichtum waren in das Tal gekommen. Über andere Einwanderungsbewegungen ins Fersental durch Menschen aus unterschiedlichen Gegenden schreibt der aus Meran gebürtige Pater Perthanis im Jahre 1687 unter anderem Folgendes: „Die Bergbewohner sind fast alle Deutsche und sprechen Deutsch, aber ein so verdorbenes Deutsch, dass man sie nur durch längeren Umgang verstehen kann.“ 250 Jahre später beschrieb der Klagenfurter Dichter Robert Musil, der während des Ersten Weltkrieges an der Frontlinie im Fersental eingesetzt war, in seinem Roman „Grigia“ die Talbewohner unter anderem folgendermaßen:
„Es lebten merkwürdige Leute in diesem Talende. Ihre Voreltern waren zur Zeit der Tridentinischen Bischofsmacht aus Deutschland gekommen, und sie saßen heute noch eingesprengt wie ein verwitterter deutscher Stein zwischen den Italienern. Die Art ihres alten Lebens hatten sie halb vergessen und halb bewahrt, verstanden siewohl selbst nicht mehr.“
Im 16. Jahrhundert jedoch erfuhr der Bergbau einen starken Rückgang. Aber zahlreiche Zeugnisse in der Landschaft und tiefe Spuren im Gedankengut der Bevölkerung sind geblieben. Mit dem Rückgang des Bergbaues kehrte wieder Armut und Not ins Tal. Von der Landwirtschaft konnte man damals nur recht und schlecht leben, heute wäre das schon gar nicht mehr möglich, denn durch die erbschaftliche Aufteilung des Besitzes unter den männlichen Nachkommen – die weiblichen Erben wurden einfach ausbezahlt – wurde der Besitz dermaßen zerstückelt, dass nicht einmal mehr ein Mindestertrag möglich war. An diesem Beispiel zeigen sich die Vorteile des „geschlossenen Hofes“ auf, wie er in Südtirol geregelt ist.
Die Streusiedlung von Ausserperg
Die Krumer
Um der Armut irgendwie zu entkommen, suchten die Fersentaler nach anderen Einnahmequellen. Die wichtigste davon war der Wanderhandel, also das Krämerwesen. Wanderhandel kennen wir auch aus anderen Sprachinseln: Die Walser im Lystal im Aostatal übten ihren Wanderhandel in der Schweiz, in Vorarlberg und sogar im Süden Deutschlands aus. Nicht von ungefähr wird das Lystal heute noch „Krämertal“ genannt. Aus dem heutigen Slowenien waren es die Gottscheabara (Gottscheer), die mit ihrem Wanderhandel bis nach Wien kamen, die Fersentaler Krumer hatten Handelsbeziehungen bis nach Böhmen, nach Ungarn, sogar nach Siebenbürgen. Anfänglich kauften die Fersentaler Krumer ihre Waren vor allem in Böhmen ein. Es handelte sich in erster Linie um Hinterglasmalereien und Spielzeug, die dann im ganzen Habsburger Reich weiterverkauft wurden. Anfänglich waren die Männer bis zu drei Jahren unterwegs, später nur mehr zwischen Allerheiligen und Ostern.
Viele Südtiroler erinnern sich noch an die Krumer, wie sie von Hof zu Hof wanderten, mit einer hölzernen Kiste auf dem Rücken, in welcher, verborgen in zahlreichen Schubladen hinter zwei Türchen, sogenannte Kurzwaren verstaut waren, für Kinder eine Fülle von Dingen, von denen sie meistens nur träumen durften. Eine Fersentalerin sagt, in der Kraxe waren „zbirnont sella zaig, druckbatún ont haftlar, untglu’ven, ont gaigler, ont dratler, ont pfaivler hom se gahòt aa gadenk e mer, vil sèlla gataivla hòlt“. Oder die Krumer mit dem großen Stoffpack, in welchem Stoffe für Hemden, Hosen, Schürzen und Röcke zum Selbstschneidern enthalten waren, also Meterware. Manche Fersentaler haben mit dem „hondl“ auch Glück gehabt und offensichtlich auch besser verdient, denken wir an Namen wie Eccel in Bozen oder an Jobstraibitzer in Bruneck. Allerdings haben sich auch politische Ereignisse auf die Handelstätigkeit der Krumer ausgewirkt. Als Tirol unter Napoleon bei Bayern war, wurden die Fersentaler Krumer, da sie aus Tirol kamen, im Habsburgerreich als Ausländer eingestuft, verbunden mit allen Problemen der Einschränkung oder gar des Verbotes der gewohnten Handelstätigkeit im Habsburgerreich. Eine Einschränkung der Wanderhandelstätigkeit wurde auch vom Faschismus verfügt. Trotzdem, kurz vor dem Zweiten Weltkrieg, waren immer noch an die hundert Wanderhändler unterwegs. Die Krumer entwickelten zu ihren Kunden meistens sehr enge Beziehungen. Für etwas Ware bekamen die Krumer Unterkunft und Verpflegung immer bei denselben Bauern. Selten kehrten sie in Gasthäusern ein. Trotzdem waren für die Krumer etwa das Gasthaus Andreas Hofer und die Blitzburg in Bruneck beliebte Einkehr- und Begegnungsstellen.
Ein „Stoffkrumer“ in Villnöß
Andere Krumer gingen über den Sommer wieder nach Hause ins Fersental, um die anfälligen landwirtschaftlichen Arbeiten zu erledigen, bevor es wieder in die Fremde ging und Frau und Kinder allein zurückbleiben mussten. Durch das Aufkommen von Bahn und Kraftfahrzeugen änderte sich auch die Handelstätigkeit der Krumer. Niemand mehr ist heute mit der Kraxe oder dem Stoffpack unterwegs; heute sind die Wanderhändler motorisiert, verkauft wird nicht mehr „vil sèlla gataivla“, sondern zu den Kunden werden Matratzen, Bettzeug, Polstermöbel und Ähnliches gebracht.
„Krumer“-Kraxe
Auswanderung
Da das Tal nicht allen genügend Arbeit gab, setzte um die Jahrhundertwende eine starke Auswanderung ein. Nicht nur in europäische Staaten gab es die Abwanderung, manche hat es sogar nach Amerika verschlagen. Ein ähnliches Phänomen wie bei den Gottscheern. Schließlich erfasste auch die Option dieses Tal. Mehr als 90 Prozent der Fersentaler optierten für Deutschland, ein Großteil der Bevölkerung wanderte dann auch aus. Die meisten wurden in die Gegend von Budweis in Böhmen gebracht. Die Abwanderung führte zu einem dramatischen Bevölkerungsschwund. Um das Gebiet und die Landwirtschaft nicht ganz zusammenbrechen zu lassen, beorderte das Deutsche Reich Südtiroler Männer ins Tal. Laut mir gegebenen Berichten von Zeitzeugen waren die Männer gemeinsam in größeren Häusern untergebracht. Für die Verrichtung von verschiedenen Hausarbeiten wie Aufräumen und Kochen wurde den Männern eine Dienstmagd zur Seite gestellt, wiederum meistens aus Südtirol. Nach der Option kehrten fast alle Fersentaler in die alte Heimat zurück, vielleicht war die Sehnsucht nach der verlassenen Heimat mit ein Grund für die Rückwanderung. So begann nach dem Zweiten Weltkrieg ein ganz mühsamer Wiederaufbau, sozusagen aus dem Nichts.
Neubeginn
Die Fersentaler bearbeiteten wieder ihre ärmlichen Grundstücke, die Männer verdienten mit dem Wanderhandel bescheidenes Zubrot, die Jüngeren suchten in Pergine-Persen und Trient Arbeit, das Tal war mehr oder weniger vergessen, und vor allem waren es Sprache und Kultur, die nicht einmal mehr ignoriert wurden. Sogar noch 1965 meinte der damalige Regionalratspräsident Dalvit, dass man im Trentino nicht von sprachlichen Minderheiten sprechen könne, außer von den Fassanern. Lediglich dem Regionalratsabgeordneten Enrico Pruner von der Trentiner Tiroler Volkspartei (PATT), selbst ein Fersentaler, gelang es, auf die dramatische Situation des Tales hinzuweisen. Politische Unterstützung fand er damals fast nur in der Südtiroler Volkspartei. Aber der Anfang für einen Neubeginn konnte gemacht werden.
Das Fersental heute
An den Hängen der orografisch rechten Seite des Fersenbaches werden heute Kirschen, Weichseln und allerlei Beerenfrüchte angebaut und an Genossenschaften, Geschäfte und Private verkauft. Landschaftlich mögen die weiten überdachten Flächen nicht besonders schön sein, aber für die Einheimischen wirft der Anbau allemal etwas ab. Oben auf fast 1500 Meter Höhe, in Palai, wirft der karge und steile Boden nichts mehr ab, und die besitzmäßig extrem zerstückelten Flächen erschweren auch eine wirtschaftlich vertretbare landwirtschaftliche Nutzung. Aber hier gibt es das Gamoa-Haus oder die Halle für die „Vraibellega Pompiarn va Palai“ (Feuerwehrhalle), ein Gasthaus, das Bersntoler Kulturinstitut mit seinen „Omtn“ (Büroräumen), einer Bibliothek und einem Versammlungsraum. Zu Fuß weiter bergaufwärts kommt man zur „Gruab va Hardimbl“, einem Schaubergwerk für Besucher. Auf der anderen Flussseite talauswärts kommt man bald einmal zum „Filzerhof“, dem Fersentaler Heimatmuseum. Die Hofanlage ist vorbildlich restauriert. In den Räumlichkeiten findet man so ziemlich alles und weiß von der früheren Lebensweise der Menschen zu erzählen. Vor allem die Südtiroler Besucher erkennen Gegenstände und Arbeitsgeräte wieder, wie sie vor Jahrzehnten auch bei ihnen noch in Verwendung waren. Sogar zwei weitere Museen finden wir im Fersental: in Oachlait das Mühlenmuseum (de Mil), in Florutz eine wasserbetriebene Venezianersäge (de Sog), wie sie früher zum Schneiden von Baumstämmen verwendet wurde. Nicht nur in Vlarotz-Florutz gibt es den „Kindergòrtn“, der den Namen „Himblring“ trägt, aber auch die „Earsteschual“, was so viel heißt wie Grundschule, und sogar eine „Pònk“ gibt es, eine etwas andere Bezeichnung für die Raiffeisenkasse. Erwähnenswert ist allemal die Kirche in Außerflorutz, erst nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut. Zwanzig Jahre lang wurde am Bau gearbeitet, treibende Kraft war der Pfarrer Jakob Hoffer, selbst ein Fersentaler. Am hölzernen Kirchenportal sind kurze Gebete eingraviert, natürlich in Fersentalerisch, im Kircheninneren ist im Gedenken an Jakob Hoffer die Baugeschichte dieser Kirche angebracht, selbstverständlich wieder in Fersentalerisch. In dieser kurzen Baugeschichte wird der Pfarrer als „Pfoff “ bezeichnet. Diese Bezeichnung gibt es nicht nur im Fersental, sondern ist sehr häufig auch bei anderen Sprachinseln anzutreffen. Das Wort „Pfoff“ ist alles eher als ein Schimpfwort, denn zum einen stammt der Begriff aus dem Wortschatz der griechischen Kirche, andererseits kann die Herkunft auch auf den lateinischen Begriff „Pastor Fidelis Animarum Fidelium“ zurückgeführt werden, was so viel bedeutet wie „der Hirte der Seelen der Gläubigen“ , somit Seelenhirte. „Pfoff“ also ein durchaus edler Titel. „Pfoff“ also ein Wort aus den Sprachinseln. So ist es halt oft mit dem Sprachinseldeutsch: Der Pfarrer ist der „Pfoff “, das Mädchen wird als „diarn“ bezeichnet, die Ehefrau als „baip“, auch von der „herin muoter“ wird gesprochen, also von der Frau Mutter. Aber es gibt halt allerlei Menschen, die bei solchen Begriffen unverständlicherweise den Kopf schütteln – hoffentlich nicht in der Meinung, dass es sich beim Sprachinseldeutsch um unwürdige Begriffe handele. Die weit verzweigte Streusiedlung des Fersentales lädt vor allem zum Wandern und Spazieren ein. Bestens markierte Wege und Steige findet man im ganzen Tal. Seit 2012 hat das Bersntoler Kulturinstitut einen Lehrweg zum Thema „Musil en Bersntol“ errichtet. Da kann der Wanderer eine Reihe von Örtlichkeiten anpeilen, die das dichterische Schaffen Musils beinflusst haben. Was aber besonders hervorgehoben werden muss, ist der Umgang mit der eigenen Sprache, dem Fersentalerischen. Da findet man nicht nur einnamige fersentalerische Wegweiser, ja sogar eine ausgezeichnete Wanderkarte steht zur Verfügung: In ihr sind – mit Ausnahme der drei Gemeindehauptorte – die Flur- und Hofnamen ausschließlich auf Fersentalerisch angegeben. Und das Besondere: Kein Tourist, woher er auch kommen mag, regt sich darüber auf. Vor allem der Kulturtourismus, die noch intakte Umwelt, die Abgeschiedenheit und die Ruhe sind es, die heute dem Fersental wieder einen bescheidenen Wohlstand gebracht haben.
Auf dieser Tafel ist die Baugeschichte wiedergegeben, ins Hochdeutsche übertragen steht darauf
geschieben: Unter den Päpsten Pius XII., Johannes XXIII. und Paul VI., unter den Bischöfen von Trient
Mons. Karl v. Ferrari und Mons. Alessandro M. Gottardi, als Pfarrer von Ausserperg war der Geistliche
Jakob Hoffer von Zöhrn, ist diese Kirche in zwanzig harten Jahren gebaut worden, von 1946 bis zum
Jahr 1966.
Die Sprache im Fersental
Für die Sprachinseln sind der Gebrauch und die Pflege der Sprache von überlebensstrategischer Bedeutung. Im Laufe der Geschichte hatten es diese kleinen Gemeinschaften manchmal sehr schwer mit ihrer Sprache, wurde den Leuten doch mit allen Mitteln eingebläut, ihre Sprache sei unverständlich, unwürdig, kulturlos, minderwertig, barbarisch. Dasselbe hatte man auch zu den Fersentalern gesagt, und die meisten hatten es wohl auch geglaubt. Erfreulicherweise hat jüngst eine neue Entwicklung eingesetzt: Da sagte mir ein junger Fersentaler, dass er und seine Leute sich früher geschämt hätten, unten in Trient zu sagen, dass sie aus dem Bersntol kämen, dass sie „Mocheni“ seien. Heute aber seien sie stolz darauf zu sagen, wir sind Bersntoler, wir sind Mocheni, wir können mehr, wir haben eine eigene Kultur, eine eigene Sprache, wir sind sogar mehrsprachig. Man ist stolz geworden auf die eigene Sprache und Kultur! Dieser Stolz äußert sich ganz deutlich im Aufruf an die Gemeinschaft, sich der eigenen Sprache auch zu bedienen. Es wird betont, dass hier sogar Gesetze in Kraft sind, die den Gebrauch der eigenen Sprache vorsehen. Dieser Aufruf ist in ein aussagekräftiges Lesezeichen hineingepackt worden! Da steht geschrieben: „Do, s gasetz gipt der s rècht za prauchen de dai’ sproch!“ Im blauen Bereich des Aufrufes werden die Gesetze (s gasetz) dann auch schön aufgelistet. Es ist das „artikl 6 va de Kostituzion va Balschlont“ (ital. Verfassung), „gasetz nr 482 van Stòtt“ (Staatsgesetz), „artikl 102 van Autonomiestatut va de Region Trentin-Südtirol“ und „gasetz nr. 6 van 2008 va de Autonome Provinz va Trea’t“. Ein wahrlich eindringlicher Aufruf, die eigene Sprache zu gebrauchen! Den dringenden Appell, die eigene Sprache zu verwenden und zu pflegen, habe ich bei allen mir bekannten Sprachinseln feststellen können, und es scheint mir viel versprechend, wenn nun auch die Jungen den Wert der eigenen Kultur und Sprache neu zu entdecken beginnen. Da gilt wohl die Regel, dass eine Sprache immer noch lebt, solange es Sprecher gibt. Ausgestorben sind Sprachen erst dann, wenn deren letzte Sprecher gestorben sind!
Während über die Jahrhunderte herauf die Inselsprachen nur mündlich von Generation zu Generation weitergegeben wurden, ist es heute notwendig geworden, die Sprachen auch zu verschriftlichen. Nur so kann sie in der Schule weitergegeben werden, nur so kann sie in den Medien zutage treten, nur so kann sie auch an die breite Öffentlichkeit gelangen. Auch im Fersental gibt es eine Vielzahl von Publikationen für die Kinder, als Wörterbücher und Grammatiken, als Bücher und Fachzeitschriften. Auch die neuen Technologien werden zu Hilfe genommen, man stößt auch im weltweiten Netz auf das Fersentalerische, sogar im Fernsehen kann man wöchentliche Sendungen für Nachrichten und Information verfolgen; sie tragen den Titel „Sim to en Bersntol“. Schließlich wird viel getan, um die Sprache auch sichtbar zu machen; dadurch erhält sie neue Würde und kann nicht mehr als kulturlos und barbarisch abgetan werden. Die Kulturzeitshrift „Lem“ wird herausgebracht, eine Zeitschrift der Bersntoler für die Bersntoler, aber auch für interessierte Freunde. Bersntolerisch, Deutsch und Italienisch sind die darin verwendeten Sprachen, jeder Leser kann mitschreiben. Das Bersntoler Kulturinstitut freut sich auf Berichte, Meinungen und Anregungen, Leserbriefe, besonders auch aus Südtirol.
Lesezeichen
Lebendige Sprachinsel
Im Fersental können wir am konkreten Fall deutlich sehen, wie lebendig diese Gemeinschaft sprachlich und kulturell ist – heute mehr denn je. Sicherlich, die Autonome Provinz Trient, die Region Trentino-Südtirol, aber auch einige Südtiroler Institutionen haben mitgeholfen aufzubauen. Das ist gut so. Nehmen wir uns doch einmal Zeit und Muße, dieses Tal zu besuchen, mit den Menschen zu „kloffn“, nicht in hektischem Eiltempo des Massentouristen, sondern in aller Ruhe, und schauen uns dieses Tal an, das „verzauberte Tal“, wie es der Dichter Musil nennt, ein Tal, das sich den Besuchern als „lebendige Sprachinsel“ zeigt. Beim Abschiednehmen werden wir schließlich mit einem freundlichen „ber sechen ens“ entlassen.
Hinweistafel zu Aufwiedersehen in drei Sprachen