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Neues vom Komitee und den deutschen Sprachinseln ...

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Schatzkammer Sprachinseln - Rezension zum Wortschatzbuch von Heinz-Dieter Pohl

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erschienen in: Wiener Sprachblätter, Jg. 64, Heft 4, Dezember 2014

Schatzkammer Sprachinseln

Il tesoro linguistico delle isole germaniche in Italia / Wortschatz aus den deutschen Sprachinseln in Italien. Hrg.: Ingeborg Geyer, Marco Angster u. Marcella Benedetti. Luserna/Lusern: Comitato unitario delle isole linguistiche storiche germaniche in Italia / Einheitskomitee der historischen deutschen Sprachinseln in Italien 2014; ISBN 978-88-8819-720-3, 191 S., Euro 10,00

Unter Sprachinsel versteht man eine geschlossene Sprach- und Siedlungsgemeinschaft in einem (größeren) anderssprachigen Gebiet, also eine Sprachgemeinschaft, die als Sprachminderheit von ihrem Hauptgebiet getrennt existiert.1 Dieser Begriff schränkt den besonderen Fall, wie ihn die Walser, Pladen, die Zahre usw. darstellen, terminologisch ein: Diese Gemeinden sind durch Zuwanderung bzw. Abwanderung kleiner Gruppen (bes. Bauern, Handwerker, Bergleute) in anderssprachige Gebiete entstanden und in ihrer sprachlichen Entwicklung gegenüber dem Herkunftsland recht konservativ geblieben. Sie haben also oftmals ältere Lautungen, grammatikalische Formen und Wörter bewahrt. Dadurch bieten Sprachinseln einen Einblick in ältere Sprachzustände.

In der italienischen Terminologie sagt man – wohl in Anlehnung ans Deutsche – isola linguistica, im Englischen language isle. Die ersten dieser Sprachinseln sind im Mittelalter ab etwa 1100 entstanden, die meisten im 13./14. Jahrhundert. Ihre Besiedlung erfolgte geplant im Rahmen des feudalen Lehenswesens.

Hier sei zunächst ein kurzer Überblick über diese Sprachinseln eingeschaltet (nach dem Schrägstrich folgt der deutsch-mundartliche Name der Ortschaft bzw. des Gebietes; in Klammern steht kursiv die jeweils eigene Sprachbezeichnung):

Walser im Aosta-Tal in Gressoney/Greschony (Greschóneytitsch) und Issime/Eischeme (Éischemtöit-schu) sowie Walser in Piemont (Provinz Vercelli) in Campello Monti/Kampel und in Rimella/Remallju (Remmaljertittschu), in Carcoforo/Chalchoufe, in Alagna Valsesia/Im Lande (Titzschu) und in Formazza/Pomatt (Pomattertitsch). Besteht seit dem 12. Jahrhundert; die Zahl der Sprecher wird mit 2950 angegeben.2

Val Fersina bzw. Fersental/Bersntol, genannt Mòcheni (Bersntolerisch) und Luserna/Lusern (Azpe biar 3); seit dem13. Jahrhundert, ca. 1000 bzw. 370 Sprecher.

Zimbern4 bzw. Cimbri aus den Dreizehn Gemeinden / XIII Comaun (Tauć, Provinz Verona) und den Sieben Gemeinden / Siben Komoine (Tzimbris, Hochebene von Asiago, Provinz Vicenza) sowie Cansiglio/Kansilien (Tzimbris). Die ersten Siedlungen entstanden um 1100, die Zahl der Sprecher ist nicht bekannt; am längsten hat sich der Dialekt von Giazza/Ljetzan (Tauć) gehalten.

Sappada bzw. Pladen/Plodn (Plodarisch, Provinz Belluno); seit dem 13. Jahrhundert, ca. 1400 Sprecher.

Sauris / Zahre
(Zahrar sproche, Provinz Udine); seit dem 13. Jahrhundert, ca. 300400 Sprecher.

Timau bzw. Tischelwang/Tischlbong (Taitsch va Tischlbong, unter dem Plöckenpaß, Provinz Udine); seit dem 14. Jahrhundert, rund 400 Sprecher.

Val Canale bzw. Kanaltal (im Buch erwähnt, aber nicht näher behandelt), entstanden ab dem 11. Jahrhundert, rund 800 Sprecher.

Das vorliegende Buch bietet in der Einleitung zunächst einen Abriß über die Geschichte und Entstehung der Sprachinseln, versehen mit vielen Abbildungen. Besonders verdienstvoll und in dieser Form neu ist jedoch der lexikalische Teil, in dem die zwölf Sprachinselmundarten mit standarddeutscher und italienischer Entsprechung vorgestellt werden, gegliedert in neunzehn Sachgruppen wie „Essen und Trinken“, „Bauernwelt“, „Natur und Tiere“ usw. Dazu kommen noch einige Redewendungen zu den einzelnen Sachgruppen.

Ein Beispiel: „Ich muß die Kuh füttern gehen und dann die Hühner“ heißt bei den Walsern in Gressoney: „Mòsseé goa fuetrò d’chie òn de d’henne“, im Fersental: „I mias gea’ za gem s èssn en de kua ont en de hennen“, bei den Dreizehn Gemeinden: „I han tze ģian tze gain tz’ezzan indar kua un denje in henjan“ und in der Zahre: „I muas gean ininzageban in der khue unt nochar za geban’s pekhach in heinen“.

Jede der historischen deutschen Sprachinseln in Italien hat also ihre eigene Mundart, und das vorliegende Buch bietet erstmals einen übersichtlichen, nach Themen geordneten Wortschatzvergleich zwischen den einzelnen Gemeinschaften.

Einige Beispiele aus dem Bereich „Essen und Trinken“: Wer ein Frühstück bestellt, erhält bei den Walsern in Issime z’vörmis, das bei den Fersentalern der schelver heißt. Das Mittagessen ist bei den Walsern in Gressoney z’métagässe und in Pladen sowie in der Zahre de jausn (dafür heißt die Jause in Pladen de marende bzw. merende und in der Zahre de nochinjausn bzw. der nochpais). Das Abendessen bzw. Nachtmahl nennen die Walser in Rimella ts nàcht und die Einwohner von Tischelwang is nochtmali.

Oder die Wochentage: Da findet man für den Dienstag sowohl den alten Ziestag (verwandt mit engl. Tuesday), z. B. in Formazza zischtag (ähnlich auch im Schwyzerdütschen), als auch den Ergetag, u. a. im Fersental eirta oder in Pladen ertach. Der Donnerstag hat nur in Formazza eine direkte Entsprechung, nämlich donschtag. Sonst haben die Walser den Frontag (z. B. Alagna frontog), die übrigen meist den Pfinztag (z. B. in den Sieben Gemeinden fiistakh, in der Zahre pfinzntokh). Die Dreizehn Gemeinden haben ihre Wochentage (außer dem Sonntag: sòntak) aus den italienischen Nachbarmundarten entlehnt (marti bzw. zòbia).

Der im italienischen Titel enthaltene tesoro hält sein Versprechen: Wir haben einen wahren Thesaurus sprachlicher Vielfalt vor uns. Vielen herzlichen Dank den Autoren!

1 Zu dem Begriff und seiner Geschichte vgl. zuletzt ausführlich Ingeborg Geyer: Sprachinseln. Anmerkungen zu Definition und Forschungstradition. In: Probleme der oberdeutschen Dialektologie und Namenkunde. Vorträge zum 100. Geburtstag von Eberhard Kranzmayer, Wien […] 1997. Hrg.: Peter Wiesinger u. a. Wien 1999, S. 150-170; auf S. 157 eine Übersicht über mehrere Definitionen. Der Begriff wurde weiters von Maria Hornung mehrmals definiert, u. a. in Die von Osttirol und Kärnten aus besiedelten Sprachinseln in Karnien und Krain. In: Carinthia I/181 (1991), S. 157ff.

2 Siehe auch Christoph Pan u. Beate S. Pfeil: Die Volksgruppen in Europa. Ein Handbuch. Wien 2000 (=Ethnos, Bd. 56), S. 89f.

3 Entstanden aus der Wendung [ren] az be biar, ‘[reden] als wie wir’.

4 Deren Name beruht auf dem Namen der Kimbern, die zusammen mit den Teutonen den Römern zunächst einige empfindliche Niederlagen zufügten, dann aber selbst in den Schlachten von Aquae Sextiae (102 v. Chr.) und Vercellae (heute Vercelli, 101 v. Chr.) vernichtend geschlagen wurden. Italienische Gelehrte haben dann den Namen Cimbri auf die Bewohner der zimbrischen Sprachinseln übertragen, während sie die Walser Teutonici benannten (s. im vorliegenden Buch S. 22).

Heinz-Dieter Pohl

(Wiener Sprachblätter, Jg. 64, Heft 4, Dezember 2014)

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