Aus dem Buch "Lebendige Sprachinseln"

XIII GEMEINDEN (XIII KOMOINEN) / TREDICI COMUNI -

Zimbrische Gemeinschaft in der Provinz Verona

BESCHREIBUNG

»Die Lessinia – das Land der Zimbern – so schön und so nah … ein geheimnisvolles Bergland … eine grüne Terrasse mit herrlichem Blick auf die Stadt von Romeo und Julia«. Mit diesem neuesten Werbeslogan lädt man zum Besuch und zur Entdeckung eines Gebietes nördlich von Verona ein, wo Tradition, Sprache und Kultur im Einklang mit der Umwelt bewahrt werden konnten.
Fünf Täler, die Zimbern nennen sie vaj, durchfurchen eine Berglandschaft, die ziemlich schwierig zu durchqueren ist. Die nördlich von Verona gelegene, trapezförmige Hochebene mit ihrem hügeligen Gelände fällt sanft zu den Hügeln und den bekannten Weinbaugebieten von Valpolicella und Soave zur Poebene hin ab. Begrenzt ist die Hochebene im Westen vom tiefen Einschnitt des Etschtales, im Norden vom Valle dei Ronchi und der Carega Gruppe, der natürlichen Grenze zum Trentino, und im Osten vom Chiampo-Tal das an die reiche Provinz Vicenza grenzt.
Diese sonnige Hochebene ist auch mit den kleinen Dolomiten der Corega Gruppe verbunden und wird im Norden von einer Bergkette umrahmt, deren höchste Spitzen der Corno Aquilino (1545 m), der Castelberto (1751 m) und der Tomba (1766 m) sind. Gegen die Grenze mit Vicenza sind es der Telegrafo, Cima Lobbia, Gramolon und Zevola, Berge die jedoch kaum 2000 Höhenmeter erreichen.
Im Osten liegen die fünf Täler (vaj) Valpolicella, Valpantena, Val Squaranto, Val d’Illasi und Val d’Alpone, sie werden tief von Wildbächen durchfurcht.
Im Valpolicella und zwar in der Valle dei Progni nördlich von Fiumane begeistern die eindrucksvollen Wasserfälle von Molina und eine 150.000 Quadratmeter große Grünfläche. Die Natur zeigt hier ihre ganze Phantasie mit spritzenden und wirbelnden Wasserfällen und einer interessanten, reichhaltigen Flora.
Weiter nordöstlich liegt die Brücke von Veja, einem stattlichen und einzigartigen Naturphänomen, das der Überlieferung nach Dante bei der Beschreibung der Malabolgia inspiriert haben soll, aber sicherlich auch Mangegna beeindruckt hat, der es auf seinen Bildern festhielt.
Es ist eine liebliche und eindrucksvolle Landschaft, die dem Besucher zahlreiche Naturschönheiten bietet und unvergessliche Eindrücke hinterlässt.
In diesem welligen und sanften Gelände ist die Karsterscheinung der Schlucht der Spluga della Preta beachtlich, die mit ihren nahezu 1.000 Metern einen der tiefsten natürlichen Brunnen der Welt bildet.
Die Lessinia ist aber auch das Reich der Almen: die für die Almwirtschaft typischen Häuser aus Stein und Platten haben im Laufe der Jahrhunderte das Landschaftsbild durch ihre architektonischen Besonderheiten verändert.
Der Covolo di Camposilvano ist ein weiteres Naturphänomen, das einen Besuch wert ist. Die interessante Karsterscheinung bildet eine über 70 m tiefe Schlucht; der vom Wasser ausgelaugte Kalkfelsen formte eine unterirdische Grotte, die heute teilweise eingestürzt ist und einer riesigen, unterirdischen Höhle Platz gemacht hat.
Nicht weniger eindrucksvoll ist die Valle delle Sfingi, wo riesige rotfarbige Felsblöcke aus der Erde ragen und ein großartiges Szenarium bilden, das in der Phantasie des Volkes zu verschiedenen Legenden über Ungeheuer und Feen Anlass gab.
In diesen von den »Fade« (Feen) verzauberten Gegenden entstanden im Laufe der Zeit Geschichten und Legenden, die man sich erzählte, um das harte Leben in den Bergen weniger mühsam erscheinen zu lassen.
Der Glaube und die Religiosität der Zimbern drücken sich durch Fresken und Wandmalerein in den zahlreichen Kappellen aus, wo man auch mit Votivgaben die Muttergottes und die Heiligen Patrone zum Schutz gegen die häufigen Pestilenzen und Krankheiten bei Mensch und Tier anruft.
Die Zimbern, bayrisch-tirolerische Völker die sich seit dem Mittelalter hier niederließen, besiedelten nicht das ganze Gebiet der Lessinia: es wurden nur dreizehn Gemeinschaften gegründet, acht davon bestehen heute noch.
Ab Ende des 19. Jahrhunderts und verstärkt im 20. Jahrhundert begann eine langsame Abwanderung aus den Berggemeinden und den Siedlungen der Umgebung, was einen drastischen Rückgang der Bevölkerungszahl und der Rinder- und Schafzucht zur Folge hatte.
Von den alten dreizehn Gemeinschaften (Erbezzo, Boscochiesanuova, Cerro, Valdiporro, Velo, Roverè, Saline, Tavernole, Sprea cum Progno, Azzarino, Camposilvano, San Bartolomeo, Selva) bestehen heute nur noch folgende Gemeinden:
Erbezzo mit ungefähr 800 Einwohnern; Boscochiesanuova mit 3000 Einwohnern; Cerro mit ungefähr 2000 Einwohnern; Velo Veronese mit 900 Einwohnern; Roverè Veronese mit 2000 Einwohnern; San Mauro mit ungefähr 500 Einwohnern; Badia Calavena mit 2000 Einwohnern; Selva di Progno mit circa 1000 Einwohnern. Es handelt sich somit um einen Bevölkerungsstand von ungefähr 12.000 Personen.
Die Zimbern fanden Arbeit und bauten ihre Häuser auf den Gemeindegebieten von Badia Calavena, das auf 400 m Höhe liegt, bis zu den Gemeinden von Erbezzo und Bosco Chiesanuova reichten, die über 1000 m hoch liegen.
Seit dem Jahr 1990 befinden sich diese und andere nicht zu diesem Gebiet gehörende Gemeinden im regionalen Naturschutzpark der Lessinia. Mit dieser Einrichtung hat man es sich zum Ziel gesetzt, die Natur, die Tierwelt, die Fauna und alles was zur Umwelt gehört vor Notstand zu schützen sowie die geschichtlichen, kulturellen und sprachlichen Gegebenheiten dieses Gebietes zu wahren.
Einst unterschieden sich die höher gelegenen Gemeinden (von 800 bis 1200 Meter) von jenen im Tal, da sie sich überwiegend mit der Forst- und Hirtenwirtschaft sowie der Vieh- und Schafzucht befassten sowie mit der Gewinnung und dem Verkauf von Holzkohle, Eis und Molkereiprodukten.
Die Wirtschaft in den tiefer gelegenen Gemeinden widmete sich hingegen dem Anbau von Oliven- und Weingärten sowie Mais und Getreide, Produkte die für die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Bevölkerung unentbehrlich waren.
Heute hat sich die Situation wesentlich geändert, es sind Fremdenverkehrseinrichtungen entstanden, Hotels und entsprechende Infrastrukturen, die für die Lessinia eine neue Entwicklung bedeuten und die Voraussetzungen schaffen sollen, die zahlreichen Möglichkeiten die sich hier anbieten, auf das Beste zu nutzen.
Die Landwirtschaft und alle jene Tätigkeiten die man früher ausübte um überleben zu können, haben jedoch zahlreiche Spuren hinterlassen. Man merkt dies auf dem Gebiet selbst, ebenso wie in den Siedlungen, bei den Trockenmauern, den Umzäunungen, den Kapellen und den Ställen, die alle nach den traditionellen Regeln und mit geschicktem Einsatz von Steinmaterial errichtet wurden.
Diese alte Ordnung, die aus einem außergewöhnlichen Zusammenspiel von Kultur und Rücksicht auf das eigene Umfeld bestand, löst sich nun nach und nach auf, obwohl es ermutigende Anzeichen dafür gibt, diese Traditionen bewahren zu wollen.
Der Landschaftsschutz ist hier zur dringenden Aufgabe geworden, damit der Zauber dieser einzigartigen Umgebung, die Stille der hochgelegenen Weiden, die Sommeralmen, das unangetastete Grün der Wälder, die Besonderheiten der Naturvorkommnisse, erhalten bleiben. Auch die Veranstaltungen in den einzelnen Dörfern und die nachhaltigen Forschungen seitens der Kultureinrichtungen sollen in der Bevölkerung das Bewusstsein ihrer geschichtlichen und kulturellen Identität sowie den Wert der eigenen Sprache und Umwelt festigen.

Bibliografie:
Itinerari in Lessinia, Centro Turistico giovanile  – Grafiche P2, Verona 1990
Giuseppe Rama, Guida alla Lessinia, Edizioni La Libreria di Demetra, 1996
Una montagna chiamata Lessinia, Broschüre 35 des Fremdenverkehrsbüros der Lessinia
Eugenio Cipriani, Escursioni in Lessinia orientale ed occidentale, Cierre Ausg. 1988-89.

DIE ENTSTEHUNG DER SPRACHINSEL
Dreizehn Gemeinden (XIII Gemeinden)-Tredici communi: Charakteristische Steinplattendächer aus den Lessinischen Bergen
Dreizehn Gemeinden (XIII Gemeinden)-Tredici communi: Charakteristische Steinplattendächer aus den Lessinischen Bergen

Das fremdsprachige Gebiet auf den Bergen nördlich von Verona wurde durch die zahlreichen Kohlenmeiler, deren Rauch man von der Ebene aus aufsteigen sah, anfangs ‚le Montagne del Carbon’ (die Kohlenberge) oder auch im Singular la Montagna del Carbon (der Kohlenberg) genannt. Die wichtigste Handelstätigkeit der Zimbern war die Herstellung von Holzkohle. Eine weitere historische Bezeichnung des Gebietes war ‚la Montagna dei Todeschi’ (der Berg der Deutschen). Diese Bezeichnungen wurden anfangs des 15. Jh. benutzt, die offiziellen Bezeichnungen für die Dreizehn Gemeinden die sich auf die bekannten deutschsprachigen Dörfer von Erbezzo, Bosco Chiesanuova, Valdiporro, Cerro, San Mauro di Saline, Tavernole, Roverè, Velo, Camposilvano, Azzarino, Selva di Progno, San Bortolo, Badia Calavena beziehen, wurden erst 1616 eingeführt. Der Ausdruck »Gemeinden« darf nicht im modernen Sinn ausgelegt werden, da es sich um einfache Ansiedlungen, um kleine Gemeinschaften (wie Tavernole) handelt.
Vor dem 15. Jh. nannte man das Gebiet einfach Lessinia oder Monti Lessini. Der Ursprung dieser Ortsbezeichnung ist unbekannt, stammt jedoch höchstwahrscheinlich von einem rätischen oder etruskischen Wort ab.
Für lange Zeit werden die Bewohner der Berge nördlich von Verona in den Urkunden (Zuwendungen von Privilegien, An- und Verkauf von Grundstücken, usw.) »Todeschi« (die Deutschen) genannt. Dieses Wort wurde im Mittelalter mit anderen Bezeichnungen für die Deutschen abwechselnd gebraucht: »Teutonici« (Teutonen) und »Alemanni« (Alemannen). Wenn der Pfarrer in einer Gemeinde fehlte, so gingen die Bürger sofort zum Bischof um einen deutschsprachigen Pfarrer zu bekommen. Bis weit ins 17. Jh. kommen die Pfarrer aus deutschsprachigen Ländern, insbesondere aus Bayern. Mit fortschreitendem Sprachverfall (der Verfall der zimbrischen Sprache beginnt in der zweiten Hälfte des 16. Jh.) akzeptiert man auch Pfarrer, die nicht deutscher Herkunft waren; so hatten zum Beispiel Boscochiesanuova ab dem Jahre 1578, Roverè ab dem Jahre 1632, Badia ab 1657 und Cerro ab 1676 italienische Pfarrer.
Bis zum Ende des 13. Jh. gibt es keine Anzeichen dafür, dass sich die Bergbevölkerung von jener der Ebene unterscheidet, was aus zahlreichen, in unserem Besitze befindlichen Urkunden über die Lessinier hervorgeht. Erst vor 120 Jahren begann man mit entsprechenden Nachforschungen. Vor dieser Zeit gab es keine Kenntnisse über den Veroneser Berg, was zu den unterschiedlichsten Vermutungen bezüglich der Herkunft der Zimbern führte.
Die älteste, vom großen Scipione Maffei vertretene Theorie will, dass die Zimbern die Nachkommen jener Zimbern sind, die im Jahr 101 v.Ch. bei Campi Raudii von den Römern besiegt wurden. Es handelte sich um ein skandinavisches Volk, das bis zum Jahr 120 v.Ch. die Halbinsel Jütland besiedelte. Einer anderen Vermutung nach (die vor einigen Jahrzehnten mit stärkeren Argumenten wieder aufgenommen wurde soll der Ort der Niederlage der Feinde Roms nicht in der Umgebung von Vercelli liegen, wie man in der Vergangenheit allgemein vermutete, sondern in der Ebene zwischen Ferrara und Rovigo. Nachdem die Zimbern das Etschtal passiert und Verona hinter sich gelassen hatten, scheint es, dass sie in Richtung Rom weitermarschierten. Die letzte Schlacht soll am linken Poufer stattgefunden haben. Nach dem großen Blutbad soll eine Gruppe Überlebender auf die Berge nördlich von Verona geflüchtet sein; hier sollen sie dann im Laufe der Zeit, wie alle anderen Bewohner der Poebene auch, romanisiert worden sein und von ihrer ursprünglichen Herkunft nur den Namen Zimbern beibehalten haben. Durch die Ankunft der Deutschen Ende des 13. Jh. scheint es daher, dass ein bereits vor langer Zeit deutsches Gebiet wieder germanisiert wurde.
Diese Vermutung weist viele Schwachstellen auf. Vor allem gibt es auf den Bergen keine Bestätigung für die Anwesenheit dieser Vorfahren der Zimbern aus dem Jahr 101 v.Ch.: weder Ortsnamen, noch Eigennamen noch irgendein Wort in der lokalen Mundart deuten darauf hin. Selbst die Bezeichnung Zimbern scheint erst ab dem 14. Jh. auf, das heißt sogar dreizehn Jahrhunderte nach der Schlacht. Die Vorstellung, dass die Bezeichnung Zimbern stillschweigend weitergeführt wurde und kein Literat oder Notar im Laufe von dreizehn Jahrhunderten irgend einen Vermerk niederschrieb, ist regelrecht absurd. Ein weiterer Grund, der gegen die Ansiedlung einer Gruppe von Zimbern in der Lessinia spricht, bezieht sich auf den Ort des Gemetzels. Es ist schwer glaubhaft, dass die Endschlacht im Polesine zwischen Ferrara und Rovigo ausgetragen wurde. Die Zimbern waren in Richtung Rom unterwegs; es war Brauch aller Völker, die sich mit Karren und Vieh fortbewegten, die Flüsse dort zu überqueren, wo das Wasser niedrig genug war um eine Durchwatung zu erlauben. Eine Überquerung mit Flössen und Zattern hätte einen großen Arbeitsaufwand zur Herstellung der Wasserfahrzeuge bedeutet, abgesehen von dem Risiko, Fahrzeuge und Vieh durch falsches Manövrieren zu verlieren. Es war daher viel natürlicher, den Po bis zu einem Punkt zu verfolgen, wo die Durchwatung ohne große Gefahr möglich war, wie in der Region Piemont . Der Zeitaufwand für den Weg (von Verona bis zur Ebene von Vercelli) war sicherlich kein Problem: ein paar Monate mehr oder weniger spielten in den damaligen Zeiten keine große Rolle.
Außerdem stehen bei den vielen römischen Schriftstellern, ausgenommen Plutarch, die sich mit den Zimbern befassten, keine Angaben über die Lage der Campi Raudii. Wenn die Schlacht wirklich zwischen dem heutigen Ferrara und Rovigo stattgefunden hätte, könnte man meinen, dass wenigstens einige Berichte auf die Nähe von Campi ad Adria, wichtiger Hafen der Venetier und Etrusker, oder auf Este, die Hauptstadt der Venetier hingewiesen hätten. Daraus wird deutlich, dass der Ort der Schlacht in einer Umgebung liegen musste, die fern von jenen den Römern bekannten Örtlichkeiten der Poebene lag; dies bestätigt die Aussage von Plutarch, der über eine Schlacht «in der Ebene bei Vercelli» schreibt (vor dem Jahr 101 v.Ch. kontrollierte Rom bei weitem nicht die ganze Poebene, man verfügte lediglich über die Siedlungen von Cremona, Piacenza, Bologna, Modena und Parma).
Der Autor Giovanni Costa Pruck (1736–1816, ein Zimber der Sieben Gemeinden) glaubte, dass die Ahnen der Zimbern die Tiguriner seien, ein Volk keltischer Abstammung das mit den Zimbern liiert war. Laut Aussage des römischen Schriftstellers Floro flüchteten sie nach der Schlacht der Campi Raudii auf die Berge des Norico, das heutige Österreich. Costa Pruck vermutete, dass eine Gruppe der Tiguriner, die sich auf der Reise in Richtung des Norico befanden, auf den Bergen zwischen Verona und Vicenza stehen blieb. Andere Autoren der Vergangenheit glaubten, dass die Zimbern die Überlebenden eines der verschiedenen deutschen Völker seien, die zur Zeit der barbarischen Invasionen in Italien eindrangen. Demzufolge behauptete Alfonso Loschi aus Vicenza (in einem Werk aus dem Jahr 1664) die Zimbern stammen von den Hunnen Attilas ab. Michelangelo Mariani, ein Trentiner, führte (im Jahr 1673) die Einwohner der Vallarsa, von Trambileno und Terragnolo auf die Hunnen und die Einwohner von Pinè bei Pergine auf die Ostgoten von Theoderich zurück. Auf die Ostgoten kam auch Francesco Caldogno aus Vicenza (in der bekannten Niederschrift über die Alpenpässe zwischen Venedig und Impero aus dem Jahr 1598). Der Trentiner Benedetto Giovanelli dachte im Jahr 1826 an eine Abstammung von den Alemannen und Sueven, die mit den Goten Theoderichs nach Italien kamen.
Im Jahr 1857 führte Modesto Bonato, geboren in den Sieben Gemeinden, die Einwohner von Val di Cembra auf die alten Zimbern des Jahres 101 v.Ch., und sein Volk auf eine Reihe von deutschen Ansiedelungen des zehnten Jahrhunderts zurück. Agostino del Pozzo, auch ein Zimber der Sieben Gemeinden, hielt klugerweise im Jahr 1820 (in einem nach seinem Tod veröffentlichtem Werk) sein Volk für Nachkommen der Deutschen aus dem nahen Tirol. Der Sprachforscher Johannes Andreas Schmeller gab dann den Forschungen über die Zimbern eine entscheidende Wende: ab dem Jahr 1833 schätzt er korrekterweise die Sprache der Zimbern als einen deutschen Dialekt ein und stellte fest, dass die der Sieben Gemeinden die älteste Ansiedlung ist. Da die geschichtlichen Forschungen noch lückenhaft waren, irrt sich Schmeller jedoch in seiner Schlussfolgerung, dass die Zimbern einst mit den Tirolern ein einziges Volk bildeten, von dem sie durch die italienischen Überfälle im 12. und 13. Jh. getrennt wurden. Durch die extrem detaillierten geschichtlichen Nachforschungen der Brüder Carlo und Francesco Cipolla (in der zweiten Hälfte des 19.Jh.) und den ausschlaggebenden Sprachforschungen von Eberhart Kranzmayer (gegen Mitte des 20. Jh.) wird die Abstammung der Zimbern eindeutig auf kleine Gruppen von deutschen Bayern zurückgeführt, die sich zuerst auf den Bergen von Vicenza und dann auf jenen des Trentino und von Verona niederließen. Es handelte sich um Holzfäller und Hirten, die zuerst wegen einer Hungersnot, die Mitte des 11. Jh. in Raum von Benediktbeuern ausgebrochen war, nach Italien kamen, später waren es die Kontakte zwischen den Klöstern (der erste fand zwischen Benediktbeuern und S. Maria in Organo in Verona statt), durch die sie in diese Gegend zogen.
Trotz dieser eindeutigen Erkenntnisse wurden weiter neue Vermutungen über den Ursprung der Zimbern angestellt. Bruno Schweizer (1897–1958) behauptete zum Beispiel, dass der erste Kern der Zimbern aus Langobarden bestand die auf die Berge flüchteten als die Franken nach Italien kamen um sie zu bekämpfen. Diese Vermutung stützte sich auf einige besondere Ausdrücke der Zimbernsprache, die jedoch nicht zahlreich genug sind, um diese Behauptung zu untermauern (eine Handvoll Vokabeln); außerdem wurde bereits festgelegt, dass die Langobardensprache bereits sehr früh, spätestens am Ende des 8. Jh. ausstarb. Eine weitere, besonders von Hugo Resch (1925–1994) vertretene Vermutung wollte, dass sich die erste Gruppe von Zimbern von Benediktbeuern nach Badia Calavena begab, um sich erst zu einem späteren Zeitpunkt auf der Hochebene von Asiago niederzulassen. Diese Theorie hat jedoch einen Schwachpunkt, da die Abtei von Calavena erst um das Jahr 1120 gegründet wurde, d.h. ungefähr siebzig Jahre nach der angeblichen Hungersnot, die die Zimbern nach Italien gebracht haben soll. Es ist klar, dass die Abtei bei der Ankunft der ersten Zimbern keine Rolle spielen konnte.
Die Entdeckungen der Brüder Cipolla und des deutschen Sprachforschers waren für die Ergründung der wahren Natur der Zimbern ausschlaggebend. Das Vorurteil über den weit zurückliegenden Ursprung dieses Volkes will jedoch nicht aussterben. Heute noch gibt es Leute die behaupten, dass unter Beibehaltung der deutschen Ansiedelungen im 11. Jh., in früheren Zeiten ein älterer deutscher Stamm ansässig gewesen sein müsse, in den sich die neuen Deutschen eingegliedert haben. Es muss hinzugefügt werden, dass uns in den Gebieten der Zimbern nichts dazu veranlasst dies zu glauben; sollte vor der Ankunft der Siedler im 11. Jh. wirklich eine deutsche Ansiedlung bestanden haben, ist es doch eigenartig, dass nichts von ihr übergeblieben ist, weder ein Ortsname, noch ein Eigenname noch irgend ein kleiner Wortschatz.
Heute wird einhellig anerkannt, dass die ersten Zimbern gegen Mitte des 11. Jh. die Hochebene von Asiago erreichten; von hier aus verbreiteten sie sich in Richtung Posina, dann auf die Hochebene von Folgaria und in Richtung Verona. Hier erhielten sie durch eine bischöfliche Urkunde des Jahres 1287 die Erlaubnis, sich auf dem Gebiet der Lessinia, dort wo das damals fast unbewohnte Dorf Roverè stand, niederzulassen. Mit großer Wahrscheinlichkeit war die Ankunft der deutschen Siedler in den Bergen des Trentino und des Veneto besonders willkommen: die Anzahl der einheimischen Bergbewohner war sehr gering und die neuen Arbeitskräfte konnten dazu beitragen, die Städte der Ebene mit wertvollem Holz zu beliefern.
Hervorstechend ist die Tatsache, dass man kurz nach dem 14. Jh. anfängt die Neuankömmlinge auf den Bergen von Vicenza nicht mehr Deutsche, sondern Zimbern zu nennen. Es ist ebenso bemerkenswert, dass diese Bezeichnung lange ausschließlich in den Literatenkreisen von Vicenza benutzt wurde. Von hier aus geht diese Bezeichnung auf die Literatenkreise von Verona über und dringt erst viel später zur eigentlichen Bevölkerung vor (vielleicht sogar erst im Laufe des 18. Jh.). Dass der Name nicht einheimischen Ursprungs ist, erscheint klar, da sich die Zimbern selbst Tzimbarn nennen und sobald sie dann erklären sollen welche Sprache sie sprechen sagen sie »bar reidan tautsch«, wir sprechen Deutsch (in Giazza).
Heute wird die Vermutung akzeptiert, dass der Name Zimbern die Abwandlung ins Venetische für einen von den Siedlern benutzten Ausdrucks ist. Der deutsche Holzfäller musste sich oft als Zimberer »Zimmermann, Holzbearbeiter, Holzfäller« ausweisen, wobei er seinen deutschen Ursprung voraussetzte. Sobald die Literaten aus dem Veneto dieses Wort hörten, identifizierten sie es sofort mit den Zimbern der Römerzeit; so entstand die Legende, dass diese Bevölkerung von den Kriegern jener Zeit abstamme.
Von Roverè aus zogen die Siedler bald in verschiedene Richtungen. Zu den neuen Ansiedlungen trugen nicht nur die Kinder der Erstankömmlinge bei, sondern auch neue Siedler, die von den gleichen Gegenden jener kamen, die 1287 von dort abwanderten (und zwar aus den Dörfern der hochgelegenen Täler von Chiampo und Agno). Am Anfang des 14. Jh. heuerte der Abt von Calavena eine große Anzahl von Arbeitern an um das Gebiet um die Abtei urbar zu machen; so entstand das Dorf von Badia Calavena. (Es gab dort vorher keine Ansiedlung von Veronesern, sodass dieses Dorf das einzige ist, das ausschließlich von den Zimbern gegründet wurde). Die Zimbern nennen es »kam Ábato« was »vom Abt« bedeutet, wobei für »abate« das alte Veroneser Wort abàdo mit Vorversetzung des Akzentes benutzt wird.
Kurze Zeit später (um die Jahre 1320–25) begannen sich die Siedler in Richtung Norden nach Bosco Chiesanuova, Erbezzo, Valdiporro, Velo, Camposilvano, Azzarino und in Richtung Süden nach Cerro, S.Mauro di Saline und Tavernole auszubreiten. Die Pest des Jahres 1348 zwingt sie zu einem vorübergehenden Stillstand. Erst viel später, gegen Ende des 14. Jh. besiedeln die Zimbern Selva, Giazza und Campofontana. Diese deutsche Ausbreitung scheint zu Beginn des 15. Jh. aufzuhören, als abgesehen von den Dreizehn Gemeinden keine neuen Siedlungen gegründet werden. Um den Bevölkerungszuwachs zu bewältigen werden neue Gebäude errichtet oder die bereits bestehenden vergrößert, man bleibt aber innerhalb des Gebietes der Dreizehn Gemeinden. Diese Situation hält bis zur zweiten Hälfte des 16.Jh an, als eine Reihe von Ereignissen eintritt die dazu führen werden, die Merkmale dieses Zimbernvolkes, das bis dahin relativ unabhängig und eigenständig lebte, für immer zu verändern.
In diesem Zeitraum beginnt die Verbreitung der für die Jagd sehr wichtigen Feuerwaffen, was eine Abhängigkeit von Verona und den anderen Städten der Ebene mit sich bringt (Besorgung der Waffen, Schiesspulver und  Bleikugeln). Gleichzeitig bricht auf dem Berg eine große Hungersnot aus, auf die in den Jahren 1575-76 die Pest folgt. Mit Beginn des 17. Jh. beginnt erneut eine Zeit der Abhängigkeit von der Ebene durch die Einführung der neuen, aus Amerika stammenden Pflanzen (Bohnen, Mais, Tabak, usw.).
Die einst fast vollkommene wirtschaftliche Selbstständigkeit der Dreizehn Gemeinden schwindet immer mehr. In Folge der Hungersnot hatten viele junge Einwohner anderswo in den Tälern und in der Ebene Arbeit gesucht; die Folge waren viele Mischehen zwischen Zimberjungen und Veroneser Mädchen, was eine der ersten Ursachen für das langsame, aber stetige Aussterben der Zimbernsprache war. Fremde Bräute zogen in die Zimberndörfer; obwohl einige die einheimische Sprache erlernten, war es unvermeidlich, dass der Veroneser Dialekt bei den Dorfbewohnern immer mehr Fuß fasste und langsam die Zimbernsprache verdrängte.
Gegen Mitte des 18. Jh. wird in Erbezzo, S.Mauro und Cerro kein Zimbrisch mehr gesprochen. In Bosco Chiesanuova, Valdiporro, Azzarino, Roverè und Badia Calavena wird die Sprache nur noch von den Alten benutzt. Als zu Beginn des 19. Jh. die Regierung des französischfreundlichen Königreiches Italien eine Untersuchung der Sprachminderheiten des Landes anordnet, wird Zimbrisch nur noch in Velo, Selva, Giazza und Campofontana, sowie teilweise in S.Bortolo gesprochen. Zur Zeit der Brüder Cipolla, um das Jahr 1880, lebte die Zimbernsprache nur noch in Giazza und teilweise in Campofontana sowie in einigen kleinen Siedlungen von Selva und Velo. Dreißig Jahre später wird nur noch in Giazza zimbrisch gesprochen.
Mit dem Bau einer Militärstrasse im Ersten Weltkrieg wurde das frontnahe Giazza mit dem Val d’Illasi verbunden. Zuvor waren die Verbindungen zwischen dem Dorf und der Ebene mühsam: Der einzige Weg in Richtung Giazza war ein schmaler, steiler Saumpfad. Der Bau der neuen Strasse entzog Giazza seiner Abgeschiedenheit, die häufigeren Kontakte mit der Außenwelt bedeuteten jedoch den Verfall der heimischen Mundart, die langsam von der Mehrzahl der Bewohner aufgegeben wurde. Dazu trug auch die Politik der Faschistenregierung bei, die gegen jegliche Mundart nicht italienischer Abstammung war. Ein weiterer Grund für den Verlust der heimischen Mundart war die Auswanderung in den dreißiger Jahren, als viele Einwohner von Giazza in die großen Industriezentren der Lombardei und in die entwässerten Gebiete des Agro Pontino und Sardiniens zogen. Auch die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg brachte die Abwanderung vieler Familien, vor allem in Richtung der Industriezonen der Lombardei.

DAS 20. JAHRHUNDERT - EINE ZEIT GROSSER VERÄNDERUNGEN

Das 20. Jahrhundert könnte als jenes Jahrhundert bezeichnet werden, das aufgrund der großen Veränderungen in der Wirtschaft, in der Kultur und in der sozialen Struktur das Verhältnis der Gemeinschaft und der einzelnen Menschen zu Zeit und Raum grundlegend verändert hat.
Zu Beginn des 20. Jahrhundert kannten die Bewohner der Lessinia das Gebiet in dem sie lebten sehr gut, sie durchquerten es zu Fuß und hatten so ein direktes, emotionales und familiäres Verhältnis zur Umgebung mit ihren Symbolen und den in der Gemeinschaft verankerten Traditionen. Man begann diese Erfahrung bereits als Kind aufzubauen als man mit den Eltern und den »Grossen« auf die Wiesen ging zum restrelar (rechen), in die Wälder um Pilze, Laub oder Holz zu sammeln, die Wege entlang schritt um Verwandte zu besuchen oder den Gottesdiensten beizuwohnen.
Eine tiefe Kenntnis der Umgebung war grundlegend, da man hier all das schöpfte, was zum Leben gebraucht wurde, es bestand ein enges Verhältnis mit der Umwelt, die nicht zerstört werden durfte, und alles was zum Überleben notwendig war musste erhalten bleiben.
Man befasste sich hauptsächlich mit der Viehzucht, der Holzfällerei und dem Steinehauen , vorwiegend für den Eigengebrauch. Weitere typische Produkte der Veroneser Berge waren Molkereiprodukte, Holzkohle, Kalk und Eis. Mit der Außenwelt wurden nur die überschüssigen Produkte getauscht, um sich jene Waren zu beschaffen, die man hier nicht zur Verfügung hatte, wie Salz, Zucker, Mehl, Polenta und Tabak.
Da man in einer schwierigen und abgesonderten Umgebung lebte, baute man Wohnhäuser und Bauernhöfe die aneinander grenzten, wodurch die für die Lessinia typische Siedlung entstand: die Contrada. In diesen Siedlungen waren die Einwohner oft unter sich verwandt, was zu Bluts- und Gemeinsamkeitsbande führte, die sich sowohl anlässlich der Feierlichkeiten wie Hochzeiten, Taufen, Erstkommunionen und Firmungen äußerten, als auch in Notsituationen (Krankheit, familiäre oder wirtschaftliche Schwierigkeiten) aber auch beim Bau von Einrichtungen, die man gemeinsam nutzte, wie die Stadel, den Backofen und die Brunnen für die Wassersammlung. Da man auf relativ engem Raum und mit geringen Mitteln lebte, verlief das Zusammenleben nicht immer reibungslos, da jede Familie versuchte das eigene campèto (Feldchen) zu bestellen oder zu vergrößern, was oft zu Streitigkeiten zwischen den Nachbarn führte. Man kann sagen, dass das wirtschaftliche und soziale Leben von gegensätzlichen Bedürfnissen beeinflusst wurde: einerseits musste man das Überleben der eigenen Familie sichern was oft Neid und Rivalität hervorrief, andererseits aber musste man zusammenzuhalten um die gemeinsamen Schwierigkeiten zu meistern, wenn es darum ging bei den Behörden um Abgabefreiheit aufgrund der schwierigen Lebenslage und der geringen Erträge anzusuchen; die Lokalpolitik musste ebenfalls gemeinsam betrieben werden.
Ende des 19. und Anfang des 20. Jh. versuchten die Bergbewohner Landstücke anzukaufen, die sich in den vergangenen Jahrhunderten im Besitz von Klöstern und Veroneser Adelsfamilien befanden: es entstanden kleine Besitztümer, die zu einer übermäßigen Zersplitterung des Gebietes führten.
Die Lessiner Gemeinschaft konnte sich auf lange Zeit relativ stabil halten. Ausschlaggebend dafür waren das Gleichgewicht zwischen dem Bevölkerungsstand und den Erträgen, sowie eine Wirtschaft die den Eigenbedarf decken konnte, der Sinn für die Gemeinschaft, die Kultur und die Traditionen.

Einwohner der Berggemeinden der Lessina von 1871 bis 1991 (ISTAT-Daten)

 
Gemeinde/Jahr 1871 1881 1901 1911 1921 1931 1936 1951 1961 1971 1981 1991
Busco Ch. 2877 3087 3918 4295 4372 4146 4088 3891 3334 3050 3018 3033
Cerro 755 894 984 1122 1156 - - 1026 940 1066 1273 1495
Erbezzo 1046 1076 1253 1295 1320 1238 1140 1186 984 846 777 783
Roveré 2145 2471 2767 3056 2959 2727 2761 2878 2430 2019 1920 1993
Sant'Anna d. A. - -     - 3316 3251 3308 2845 2439 2452 2483
Velo 1161 1282 1632 1765 1767 1700 1735 1713 1461 1035 860 824

 

Anmerkung: Von 1928 bis 1947 gehörte die Gemeinde Cerro zur Gemeinde von Grezzana und die Gemeinde Sant'Anna d'Alfaedo wurde erst 1928 unter Einbeziehung von Teilen von Breonio und Prun gegründet.

In der zweiten Hälfte des 19. Jh. stieg die Einwohnerzahl durch die verbesserten sanitären Bedingungen an, es gab weniger Todesfälle durch Infektionskrankheiten, auch die Geburtenzahlen erhöhten sich. Diese Tendenz hielt auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts an.
Der Bevölkerungswachstum brachte Probleme mit sich, die man auf zwei Arten zu lösen versuchte: einerseits durch die Nutzung der verlassenen und unbestellten Grundstücke und illegale Tätigkeiten (Schmuggel) und andererseits durch die Auswanderung ins Ausland, die nur für die Saison oder auch ständig sein konnte, da die Ebene und die Städte in der Umgebung der Lessinia nicht genügend Arbeitsplätze boten. Obwohl dadurch das Gleichgewicht der Gemeinschaft stark belastet wurde, gelang es ihr durchzu- halten, da sich die Wirtschaft nach wie vor grundsätzlich auf die heimischen Einnahmequellen stützte, die mit den Verdiensten der Saisonarbeiterund dem Verkauf der typischen Bergprodukte, die auf dem Markt einen guten Preis erzielten, ergänzt werden konnten.
Trotz der immer noch hohen Einwohnerzahl ist die Auswanderung in der Zeit zwischen den zwei Weltkriegen eher rückläufig, sei es aufgrund der Faschistenpolitik die grundsätzlich gegen die Abwanderung war, als auch durch die Krise des Jahres 1929, die auch in den anderen Ländern Beschäftigungsprobleme mit sich brachte.
Mit dem Eintritt Italiens in den Krieg im Jahr 1940 waren viele Bergbewohner gezwungen zum Militär zu gehen. Man schickte sie an ferne Fronten, nach Albanien, Griechenland, Afrika, Russland; viele kehrten nicht mehr zurück. Die Denkmäler an die Gefallenen mit den Namen ihrer Lieben sind für die Familienangehörigen oft der einzige Trost. Nach dem 8. September 1943 erlebt auch die Lessinia die Tragödie des Bürgerkrieges, bei dem die sogenannten »repubblichini » (Anhänger der Italienischen Repubblica Sociale) und die Deutschen gegen die Partisanen und die Alliierten Streitmächte kämpften. Das Gebiet der Lessinia war mit seinen zahlreichen Grotten, Unterschlüpfen und Einöden ein ideales Versteck für alle, die nichts mit dem Krieg zu tun haben wollten oder sich später zu den Partisanen schlugen. Die härtesten und blutigsten Vorfälle ereigneten sich im östlichen Teil der Lessinia wo die Kämpfe zwischen Partisanen und Nazifaschisten viele Opfer forderten und ganze Siedlungen zerstört wurden. Im zentralen und westlichen Teil der Lessinia beschränkten sich die Gewalttaten auf wenige Fälle, wahrscheinlich aufgrund der massiven deutschen Anwesenheit unter deren Kontrolle das Gebiet stand. Nach Kriegsende ändern sich Rhythmus und Raum endgültig. Die Lessinia wird in die Modernisierungsprozesse der italienischen Gesellschaft, deren Mittelpunkt in den Industriestädten des Norden liegt, miteinbezogen. Die traditionelle Gesellschaft nimmt Kontakt mit der Gesellschaft der Städter auf. Die Bezugspunkte verschieben sich, da sowohl auf wirtschaftlicher als auch auf politischer und sozialer Ebene der Mittelpunkt nicht mehr in der einheimischen, sondern in einer nunmehr breiteren Gesellschaft liegt. Man ging von einer auf sich selbst konzentrierten Gesellschaft, die das eigene Umfeld und die eigenen Mittel selbst verwaltete auf eine »integrierte« erweiterte Gesellschaft über, deren Mittelpunkt in den Industriestädten lag. Einerseits hat die Verallgemeinerung der Werte, der Lebens- und Wirtschaftformen das soziale, wirtschaftliche und politische System sozusagen vereinheitlicht, andererseits führte die Zentralisierung der Entscheidungsgewalt die auch die ländlichen Gebiete betraf dazu, dass die Berggebiete zu Randgebieten wurden, die den dort lebenden Menschen nur mehr wenige Möglichkeiten bieten konnten.
Die Veränderungen in der Lessinia sind verschiedenen internen Faktoren zuzuschreiben wie die bis 1951 immer noch hohe Bevölkerungszahl; die für die Berggebiete typischen Erzeugnisse wie Eis, Kohle und Kalk wurden nicht mehr produziert, was zu einem bedeutenden Beschäftigungsrückgang führte; der Wunsch nach einem bequemeren Leben und einer weniger anstrengenden oder sozial besser anerkannten Arbeit; die traditionelle Gesellschaft die sich als unfähig erwies, mit den neuen kulturellen Modellen zurechtzukommen; das Nichtzustandekommen einer einheitlichen Politik der Gemeinden der Lessinia zur Lösung der Probleme des Berges und zur Einschränkung der Auswanderung in die Stadtgebiete und in die Ebene.
Diese Faktoren hängen eng mit den Veränderungen in der allgemeinen Gesellschaft zusammen wie die Entwicklung der Industrie und die entsprechende Nachfrage nach Arbeitskräften; eine moderne Marktwirtschaft, die den Warenverkehr erleichterte. Die Bergwirtschaft war mit ihren lokalen Produkten gegenüber Waren, die von anderswo herkamen, nicht mehr konkurrenzfähig; die Verbreitung von kulturellen Modellen die ein leichteres und vor allem von verschiedenen Autoritätsformen befreites Leben versprachen; traditionelle Werte wie das Sparen, die Mäßigung, der Respekt vor der Umwelt und das Zugehörigkeitsgefühl an eine Gemeinschaft die immer mehr vernachlässigt wurden; die Standardisierung der Werte, der Lebensart und der Wirtschaftsformen. Radio,-Fernsehen und das Zeitungswesen trugen dazu bei, die sozialen, wirtschaftlichen und politischen Systeme zu vereinheitlichen; die Politik, die immer neue Ballungszentren in den Industriegebieten befürwortete.
Die Folge war die starke Abwanderung in der Nachkriegszeit, die zuerst die nördlichen und abseits gelegenen Siedlungen und später die ganze Hochebene betraf. Diese Veränderungen sind deutlich ersichtlich. Viele Pfade die Dörfer und Siedlungen verbanden, sind von Dornbüschen überwachsen oder wurden durch bequeme Strassen ersetzt, um die Städte schneller erreichen zu können; zahlreiche Häuser der Siedlungen und teilweise ganze Siedlungen wurden verlassen.
In den letzten dreißig–vierzig Jahren erfuhr die Lessinia einerseits das bereits erwähnte Phänomen der Entvölkerung des Berges und andererseits die Verbreitung des Massentourismus und eine allgemeine Urbanisierung, durch die überall kleine Villen und Reihenhäuser entstanden. Die wirtschaftliche Entwicklung der Städte und die größeren finanziellen Mittel führten zum Ankauf von Urlaubshäusern und Wohnungen seitens der Stadtbewohner oder den einst ausgewanderten Bergbewohnern. Sie legten so ihre Ersparnisse an und konnten ihre »Sommerfrische« in einer noch »heilen« Umgebung genießen. Die rasche Verbreitung der Bauvorhaben wurde auch von den Kommunalverwaltungen begünstigt, da sie Geld in die Gemeindekassen brachte und der ansässigen Arbeitskraft sowohl im Bausektor als in der Bergbauindustrie Arbeit verschaffte. Durch die stetige Erweiterung der Bauzonen hoffte man die Abwanderung vom Berg einzuschränken.
Diese Veränderungen haben natürlich auch das Verhältnis der Bewohner zur Umwelt geändert. Der Besitz wurde nicht mehr als eine Ertragsquelle gesehen, die es zu schützen galt, sondern als ein Produkt, das man wie jedes andere verkaufen konnte. Heute gehen viele Einwohner ihren Tätigkeiten außerhalb der Lessinia nach. Fremde nutzen die Schätze der Zone wie zum Beispiel den Steinabbau und konzentrieren sich dabei ausschließlich auf die Wirtschaftlichkeit. Dem Umweltschutz wird wenig Beachtung geschenkt.

Bewohnte Häuser (Volkszählung 1991)
Gemeinde Bewohnte Häuser Unbewohnte Häuser % unbewohnte Häuser
Bosco Chiesanovo 1093 2922 72%
Cerro 547 886 61%
Erbezzo 279 459 55%
Roveré 653 527 44%
Sant'Anna d'Alfaedo 847 609 41%
Velo Veronese 273 311 54%

 

Bewohnte Häuser nach Baujahr
Gemeinde Vor
1919
1919-
1945
% fino
al 1945
1946-
1960
1961-
1971
1972-
1981
1982-
1986
1987-
1991
% 1946-
1991
Bosco Chiesanovo 290 93 35% 128 247 236 72 27 65%
Cerro 72 16 16% 53 160 164 53 29 84%
Erbezzo 109 21 46% 18 51 60 9 11 54%
Roveré 165 63 35% 51 112 205 33 24 65%
Sant'Anna d'Alfaedo 294 61 42% 54 141 246 29 22 58%
Velo Veronese 128 22 51% 19 48 41 8 7 49%

Der Fremdenverkehr ist eine weitere Verdienstquelle und in den letzten Jahrzehnten versuchte man auch diesen Sektor auszubauen. Es wurden Skipisten angelegt um auch die Wintersaison zu nutzen, Museen errichtet (7 Museen und ein Naturschutzgebiet), die auch den kulturellen Tourismus das ganze Jahr hindurch fördern sollen. Mit dem zwanzigsten Jahrhundert brach für die Lessinia eine neue Epoche an, die sie aus der Abgeschiedenheit der Vergangenheit befreien sollte. Dies bedeutete jedoch auch das Ende der Siedlergemeinschaft die über Jahrhunderte die Gesellschaft und die Wirtschaft der Lessinia geprägt hatte. Das neue Jahrhundert soll dazu herausgefordert werden, die Umwelt mit der ständigen Entwicklung unserer Zeit in Einklang zu bringen, die Besonderheiten der Lessinia, ihre Geschichte, ihre Kultur, ihren Baustil zu wahren, ein Gebiet zu schützen, welches mit seinen ausgedehnten Grünflächen den Menschen Ruhe und Erholung vom Stress des Alltags und des Stadtlebens bietet.

TRADITIONEN DER LESSINISCHEN GEMEINSCHAFT

Im Folgenden werden einige Bräuche und traditionelle Gepflogenheiten der vergangenen Jahrhunderte, typisch für die Bevölkerung der Veroneser Berge, beschrieben. Hunderte Interviews in den letzten dreißig Jahren des soeben ausgeklungenen Jahrhunderts mit älteren Leuten führten zu diesen Ergebnissen, die hauptsächlich den Lebens- und Jahresablauf betreffen.
Die Hochebene der Lessinia oder »Der Dreizehn Gemeinden von Verona« stellte seit undenklicher Zeit eine einzigartige und spezifische Enklave dar, nicht nur der Sprache sondern auch der Kultur und der Traditionen wegen. Vergleichbare Merkmale sind eher in nördlicher Richtung (Trentino, Carnia, Tirol, Kärnten, Bayern) als in südlicher Richtung (Poebene, Mittel- italien) zu finden. Zum besseren Verständnis für einen nicht einheimischen Leser werden einige Erklärungen über das Gebiet und dessen Bewohner gegeben. Es handelt sich um ein hügeliges und bergiges Gebiet, das im Nordosten von Verona zwischen dem Etschtal, dem Val di Chiampo und dem Val di Ronchi liegt. Die Anwesenheit, neben den italienischen Einwohnern, der Minderheit der sogenannten »Zimbern«, die urkundlich bereits seit dem Mittelalter hier lebt und deren Ursprung in deutschen Gebieten liegt1, kann die Verwandtschaft mit den Kulturen jenseits der Alpen rechtfertigen. Vor der Vereinigung Italiens lebten diese Völker fast immer im Grenzgebiet und erhielten daher für die Kontrolle der Passübergänge von den jeweiligen Besetzern (Scaligeri, Serenissima Repubblica, Österreich-Ungarisches Reich) eine Erleichterung der Steuerpflicht und besondere Freiheiten.
Die Traditionen zum Lebensablauf beziehen sich unvermeidlich auf die Familie, die bis zur Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zum Großteil bäuerlich, patriarchalisch und aus mehreren Familiengruppen zusammengesetzt war. Das unbestrittene Oberhaupt der Familie bleibt bis ans Ende seiner Tage »der Alte«, erst nach seinem Tod können die Erben den Besitz unter sich aufteilen und sich selbstständig machen. Die Söhne bleiben auch nach der Hochzeit innerhalb der Familie, die Töchter ziehen nach der Heirat fort, in eine andere, jedoch ähnliche Situation. Die Entscheidungen können gemeinsam besprochen werden, das letzte Wort bleibt jedoch immer beim el vecio (dem Alten). Sobald man kann hilft jeder bei der Arbeit mit, sei es im Haushalt, auf den Feldern oder in den Wäldern. Reibereien finden immer wieder statt, aber die Angst vom Erbe ausgeschlossen zu werden, zwingt alle die Situation anzunehmen und sich der Lage zu beugen.

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1 Die vielen bezüglich dieses Phänomens durchgeführten Untersuchungen haben noch zu keinem endgültigen Ergebnis geführt. Zur eventuellen Vertiefung dieses Themas verweisen wir auf zwei Bücher; das erste gibt ein vollständiges Bild des Problems; das zweite enthält alles, was darüber geschrieben worden ist: G. RAPELLI Cimbri veronesi, La Grafica Editrice, Vago di Lavagno (Verona) 1997. G. RAPELLI Bibliografia Cimbria, Grafica Editrice, Vago di Lavagno (Verona) 1999.


GEBURT UND KINDHEIT
Es sind die Kinder und vor allem die Buben welche die Fortführung der Sippe und natürlich die künftige Arbeitskraft garantieren; für die Braut war daher die Fruchtbarkeit grundlegend, obwohl man aber auch über ihre Unfruchtbarkeit scherzen konnte ‘O che la pertega no la ghe rìa, o ch’el posso no’l ten’ (entweder schafft es der Bügel nicht oder der Brunnen ist undicht), die Frau ohne Kinder wurde verhöhnt, missachtet und manchmal auch gehasst. Gleichfalls sagte man aus Höflichkeit ‘In te le case dei galant’omeni, prima le done e dopo i omeni’ (in den Häusern der Ehrenmänner zuerst die Frauen und dann die Männer), um die Erstgeburt einer Tochter zu rechtfertigen, denn man war davon überzeugt dass ‘quando nasse l’omo, s’à piantà el camin!’ (wird ein Junge geboren so ist der Ofen untermauert, die Sippe wird weiter bestehen).
Man glaubte auch, dass das Geschlecht des Kindes vom Verhalten der Ehemänner abhinge: um einen Buben zu bekommen musste der Mann beim Beischlaf energisch, leidenschaftlich, wohlgenährt und ausgeruht sein; aus diesem Grund durfte man weder am Morgen noch Montags Verkehr haben. Die große Bedeutung die diesem Ereignis zugeschrieben wurde, kann man auch aus dem Interesse sehen mit dem man versuchte, das Geschlecht des Kindes vorauszusagen. Man beurteilte das Aussehen der Mutter und untersuchte ihren Bauch. Die Auslegungen waren vielfältig, da man aber davon ausging, dass es schwieriger war einen Buben zu »machen«, würde seine Mutter ein verblühtes und abgemagertes Aussehen haben, im gegengesetzten Fall sagte man ‘bela sposa – bela butèla!’ (schöne Frau – schönes Mädchen!). Man ging auch davon aus, dass ein Bub außerdem »umfangreicher« sei, daher war ein großer Bauch, der die Hüften breiter und das Gesäß größer werden lässt, Anzeichen für einen Buben, enge Hüften und ein kleiner, hoher und nach vorne zeigender Bauch wiesen hingegen auf ein Mädchen hin ‘parchè l’è rabiosa e la salta su!’ (weil sie zornig und aufmüpfig ist). Der schwangeren Frau wurde auf jeden Fall höchster Respekt entgegengebracht: man legte ihr nahe, harte Arbeit zu vermeiden, bei Tisch durfte sie sich an allem was sie möchte satt essen und alle versuchten ihre ‘Lust’ auf was Besonderes zu befriedigen, aus Angst, dass Muttermale oder physische Behinderungen das Kind ‘zeichnen’ könnten. Auch die Mutter musste auf viele Dinge aufpassen, um dem Kind keine Schäden zuzufügen: sie musste alles von ihrem Hals entfernen und auch nichts umhängen um zu vermeiden dass das Kind bei der Geburt von der Nabelschnur erwürgt würde. Sie durfte weder das Vieh hüten noch zu viel Wäsche waschen oder die Hände zu lange im Wasser halten, sie durfte über keine Mauerchen oder gezogene Stricke steigen, nicht reiten, keinen erschreckenden Anblicken ausgesetzt werden, mit keinem von physischen Defekten befallenen Menschen sprechen, usw. um die Geburt und die Gesundheit des Kindes nicht zu gefährden.
Sobald ‚gh’è el camin a fogo’ (der Kamin Feuer fängt), das heißt, sobald die Wehen einsetzten eilte der Gatte entweder zur Dorfhebamme oder zu den Frauen der Umgebung denen eine gewisse Erfahrung nachgesagt wurde. Geschah es bei Tag, wurden eventuell anwesende Kinder fortgeschickt, meist zum Haus der Mutter der Gebärenden, die somit über das Ereignis informiert wurde und prompt mit einem Suppenhuhn herbeieilte um für die Tochter, nach der Geburt, ein Süppchen zuzubereiten. Fand die Geburt bei Nacht statt, wurde die Gebärende manchmal in den Stall gebracht und auf einen mit Blättern und Stroh gefüllten Sack gebettet um zu verhindern, dass Schreie und Lärm die Kinder aufweckten. So manche Hebamme beklagte sich über die mangelnde Hygiene unter diesen Umständen und behauptete, dass man die Gebärende in den Stall brachte oder auf einen Haufen schmutziger Lumpen auf den Küchentisch legte, aus Angst die Bettlaken schmutzig zu machen. Nach der Geburt musste die Frau die erste Woche im Schlafzimmer und die ersten vierzig Tage zu Hause verbringen: wenn sie in der quarantìa (die vierzig Tage nach der Geburt) ausgehen würde, könnte sie ihre Gesundheit und die des Neugeborenen gefährden und Unglück über die besuchten Häuser bringen. Nach Ablauf dieser Zeit ließ sie sich von der Schwiegermutter oder einer anderen Person zur Kirche geleiten um die benedìa (Segnung) entgegenzunehmen, worauf sie wieder in die Gesellschaft aufgenommen werden konnte. Sie durfte nicht alleine zur Kirche gehen ‚parchè la ga el diaolo a schena’ (weil sie vom Teufel besessen ist) denn sie könnte schlechte Begegnungen machen oder auf gefährliche Überraschungen treffen.
Damit es belo drìto (schön gerade) wachse wurde das Neugeborene, oft bis zum sechsten Monat, vom Hals bis zu den Füssen eng gewickelt; manchmal wurden die Arme freigelassen, aber nicht immer. Wenn das Kind weinte versuchte man die Windeln zu wechseln, ansonsten sagte die Schwiegermutter zur Schwiegertochter, damit die anderen Kinder nichts verstehen: ‘Proa a scaldarghe el naso!’ (versuch ihm die Nase zu wärmen), was heißt: »Still es!«.
Da die Paare sehr jung geheiratet haben und die Kinderzahl groß war, war das erste Kind eines Paares, wo Vater oder Mutter selbst Erstgeborene waren, von fast gleichaltrigen Onkeln und Tanten umgeben und da die Großmutter selbst oft noch im fruchtbaren Alter war kam es manchmal vor, dass Onkel oder Tante jünger waren als die Neffen oder Nichten. Sollten sie im Haus keine Gesellschaft finden, fanden sie diese sicher im Hof wo die Gleichaltrigen Verstecken, Haschen, Tüchlein, paar el sercolo spielen (ein Rad wird mit einem Stecken zum Rollen gebracht). Zum Spielen blieb jedoch wenig Zeit, denn sobald sie im Stande waren etwas zu leisten, mussten sowohl die Jungen als auch die Mädchen bei den Familienarbeiten mithelfen.

LIEBE UND HEIRAT
Die Jugendlichen konnten sich ihr erstes Geld la giornada (als Tagelöhner) verdienen. Wenn sie keine eigene Arbeit hatten, wurden während der Heumahd die Jungen als segati und die Mädchen als risteline, das heißt zum Mähen und Einsammeln des Heus gerufen; im Herbst wurden die Jungen batari und die Mädchen cataòre, das heißt mit dem Abklopfen und dem Einsammeln von Kastanien beauftragt. Im Sommer konnten einige Jungen auf der Alm als famej (Knechte) tätig sein und die Mädchen als servète, als Haushaltskraft, bei anderen Familien Arbeit finden. Nicht immer jedoch erhielten sie einen Lohn, manchmal arbeiteten sie a panèto, das heißt nur gegen Verpflegung. Sowohl die Jungen als auch die Mädchen nahmen begeistert an allen möglichen Dorffesten der Umgebung teil. Für alle waren dies auch die ersten Möglichkeiten dem anderen Geschlecht zu begegnen, wenn auch der beste Ort für einen jungen Freier der abendliche Tratsch war, der in allen Siedlungen abgehalten wurde. Üblicherweise trafen sich von Oktober bis Mai alle Einwohner ab acht und bis gegen elf Uhr abends im größten oder im gastfreundlichsten Stall der Siedlung (manchmal auch in mehreren Ställen, wenn die Siedlung groß war). Die Gelegenheit wurde auch zur Durchführung kleiner Arbeiten genutzt: die Männer umwickelten Stühle mit Stroh, flochten Körbe aus Weidenruten, reparierten oder bauten Werkzeuge; die Frauen spannen Wolle, stopften und flickten, nähten oder strickten. Man betete zuerst den Rosenkranz und unterhielt sich dann über Geschäfte und Preise, man diskutierte und erzählte Geschichten und die Jugend machte sich den Hof. Beim Tratsch war die Türe nie abgesperrt, jeder konnte hereinkommen. Da am Abend nur die Männer ausgehen durften, blieben die Mädchen natürlich in der eigenen Siedlung zum Tratsch und wurden hier von den Jungen besucht.
Die Jugend war nie alleine gelassen und von den Erwachsenen immer im Auge behalten. Den Jungen riet man auf die Merkmale zu achten, welche die künftige Braut haben sollte: grundlegend ist che la tasa, che la piasa e la staga in casa (dass sie gefalle, dass sie schweige und dass sie daheim bleibe); es war nicht günstig die Braut zu weit entfernt zu suchen: strope in le sese e done dal so paese (such die Triebe in den Büschen und die Frauen in deinem Dorf); es konnte nicht nur kostspielig, sondern auch gefährlich sein und daher: l’è mejo bruta ma comoda per poterla controllare (besser hässlich aber nah, um sie kontrollieren zu können); die Schönheit zählte weniger als der Reichtum: l’è mejo na bruta figura de on bruto contrato (besser ein schlechtes Aussehen als ein schlechter Vertrag); es war besser wenn sie jung war: vin vecio e done doene (alter Wein und junge Frauen) obwohl auch die älteren nicht immer auszuschließen waren: l’è la galina vecia che fa el brodo bon (es ist die alte Henne die die Suppe schmackhaft macht). Gleichlautende Ratschläge wurden auch den Mädchen erteilt: es war besser, wenn der künftige Ehemann unten im Tal, anstatt im oberen Tal wohnte: i è le pegore perse che va in su (es sind die verlorenen Schafe die aufwärts gehen); man riet eher auf Substanz als auf Präsenz zu achten: varda el panaro e no el galo perchè i fioi no i domanda: pupà belo, ma: pupà, pan! (schau auf die Hennen im Hühnerstall und nicht auf den Hahn, denn die Kinder sagen nicht: schöner Vater, sondern Vater, Brot!); auch die moralischen Eigenschaften verloren gegenüber dem Reichtum: tolo marso ma sior (nimm ihn verdorben aber reich); es musste darauf geachtet werden, dass er einen gut gehenden Betrieb hatte: ch’el gabia almanco diese vache, el toro e el caval moro (dass er mindestens zehn Kühe, den Stier und ein schwarzes Ross habe); manch weise Mutter wußte aber, dass auch die eheliche Genugtuung ihre Wichtigkeit hatte: ch’el gabia casa e campi, ma anca carcossa davanti! (dass er Haus und Feld, aber auch vorne was habe!).
Nach einer unterschiedlich langen Verlobungszeit, die in der Regel jedoch einige Jahre dauerte, hielt der Bräutigam beim Vater der Braut um deren Hand an. Wurde diese zugestanden, begab sich das Paar zum Pfarrer um das Aufgebot zu bestellen. In diesem Zeitraum wurden die Treffen und Einladungen zum Essen zwischen den Familien des Brautpaares immer häufiger um sich über die Geldausstattung, die Einladungen und die Mitgift zu einigen. Zuerst ging der Bräutigam mit den Eltern zum Haus der Verlobten, dieses Fest wurde ‘nar a sbregar la cioca’ (der Glucke die Küken wegnehmen) genannt; einige Feiertage später begaben sich die Eltern der Braut (die Braut geht fast nie mit, da man der Auffassung ist dass es ihr Unglück bringe, vorzeitig das Haus zu sehen in dem sie leben wird) zum Haus des Bräutigams; dieses Fest wird ‚nar a vedar can de corte’ (den Betrieb begutachten) genannt. Wenn auch vorgreifend, sei auf ein weiteres Fest hingewiesen: einige Sonntage nach der Hochzeit besuchten die Eltern der Braut das Ehepaar: i torna a torse la pele’ (sie holen sich die Haut zurück), das heißt, sie besuchten die Tochter im neuen Heim um eventuell offen stehende Rechnungen zu begleichen und um die »Haut« der Tochter mitzunehmen, es will damit gesagt werden, dass sich die junge Frau komplett erneuern musste, sie änderte ihr Leben, ihre Art und ihre Gewohnheiten.
Am meisten gefragte Heiratsperioden waren der Frühling und der Herbst; man heiratete jedoch nicht in der Fastenzeit oder in Zeiten intensiver Landarbeit. Die Hochzeiten fanden fast immer Samstags (oder Sonntags) am frühen Morgen statt, da das Brautpaar ab Mitternacht nüchtern sein musste um die Kommunion entgegennehmen zu können. Der Bräutigam begab sich in Begleitung seiner Gäste zum Haus der Braut die auf seine Ankunft wartete, um ihr Zimmer zu verlassen. Die Braut und ihre Gäste gesellten sich zu den anderen und gemeinsam gingen sie zur Kirche. Beim Aufbruch des Brautpaares wurden vor allem in der östlichen Lessinia als Glückwunsch einige Schüsse mit dem trombin2 abgefeuert; anderswo wurden mit dem Gewehr einige Blindschüsse abgegeben. Auf dem Weg zur Kirche konnte das Brautpaar auf verschiedene sbare o fermative (Sperren oder Behinderungen) treffen; Jugendliche sperrten den Weg mit Holz oder anderem Material und das Brautpaar selbst musste mit der Räumung beginnen; nachdem sie sich Süßigkeiten oder Wein versprechen ließen halfen auch die Täter bei der Räumung. Beim Kirchengang ging das Brautpaar getrennt, jeder mit seiner Gruppe, erst nach der Hochzeit kehrten sie gemeinsam zurück. Nach der Trauung lud der Pfarrer meistens das Brautpaar und die Trauzeugen in das Pfarrhaus auf eine heiße Schokolade oder ein kleines Frühstück ein. Immer noch im Umzug, an dem jedoch nicht alle Männer teilnahmen da einige im Dorf blieben, begaben sich alle zum Haus des Bräutigams zum Hochzeitsessen.
Das Mahl wurde fast immer von der Schwiegermutter mit Hilfe einiger Köche aus der Umgebung vorbereitet. Es bestand meistens aus: hausgemachten Nudeln die in der Suppe gekocht wurden, gemischtem gekochtem Fleisch mit pearà (Soße aus Brösel, Suppe, Knochenmark und Pfeffer), Huhn- oder Rindsbraten mit verschiedenen rohen und gekochten Gemüsesorten, einheimischer Käse, hausgemachte Mehlspeisen, Kaffee und gutem Wein. Ein ‚pikanter ’ Scherz bestand darin, dem Brautpaar ein Stück sehr alten Käse anzubieten der zum Anlass formajo pìncion genannt wurde. Als weiterer Scherz wurden der Braut eine Schachtel oder zwei aufeinander gestülpte Schüsseln gebracht in denen sich ein Spatz befand: sobald sie diese öffnete flog der Vogel unter dem Applaus aller Gäste davon. Manchmal wurde ein Balladensänger eingeladen oder ein Ziehharmonikaspieler der zum Tanz aufspielte. Weitere Scherze konnten am Ehebett vorgenommen werden: in der Mitte abgenähte Bettlaken, Brennnessel oder Kastanienigel unter der Decke, Pferdepulver das einen fürchterlichen Juckreiz verursachte, unter dem Bettrost angebrachte Dosen, die, sobald sich das Paar hinlegt Lärm machten … Nicht alle Schwiegermütter erlaubten es jedoch, dass die Hochzeitsfeier in einen manchmal übertriebenen und wilden Trubel ausartete. Der Tag der Hochzeit wurde als der schönste Tag für Mann und Frau angesehen und daher scheute man für das Festmahl meist keine Spesen; man war sich bewusst, dass dann zwischen Sorgen, Arbeit, Haus und Kinder der Alltag unvermeidlich zurückkehrt.

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2 Es handelt sich um eine besondere Waffe in Form einer riesigen Pistole, die circa 30 kg wiegt. Es scheint, dass sie nie zu Kriegs- oder Angriffszwecken benutzt wurde, sondern nur anlässlich von Feiern: Dorffesten, Einzug des Pfarrers, Besuche der Bischöfe, Hochzeiten ... Vor kurzer Zeit wurden in der östlichen Lessinia zwei Folkloregruppen gegründet, um diese Tradition fortzuführen: I Trombini di S. Bartolomeo delle Montagne und I Pistonieri dell'Abazia (Badia Calavena). Um mehr darüber zu erfahren: G.FAE', I Trombini di San Bartolomeo, Hit Comunicazione, Verona, 1999.


ALTER UND TOD
Die patriarchalische Familie ermöglichte es, dass sich niemand unnütz fühlte oder sich selbst überlassen blieb. Die Menschen verblieben bis ans Ende ihrer Tage im Kreis der Familie; sie garantierten eine ständige Anwesenheit, sie konnten auf die Kinder aufpassen, solange die Eltern draußen arbeiteten, sie machten sich nützlich indem sie Werkzeuge reparierten oder Kleider flickten, man zog ihre Ratschläge oder Urteile die oft von langer Erfahrung sprechen in Betracht: trista co’la cà, che udor da vecio no la sa (traurig ist das Haus das den Geruch der Alten nicht hat). Hatte das Familienoberhaupt ein gewisses Alter erreicht, so wurde das Testament gemacht; auch dies war eine Waffe die es ihm ermöglichte, nicht vernachlässigt zu werden, auch weiterhin auf ihn zu hören da man nicht vom Testament ausgeschlossen werden wollte. Nur wer sich keine Familie aufgebaut hatte, riskierte alleine zu sterben: ne la grupìa more el barba, sensa che nessun lo guarda (in der Krippe stirbt der Ledige ohne dass jemand nach ihm sieht).
Das fortschreitende Alter und der nahe Abschied konnten zu einer verstärkten Religiosität oder zu großer Würde und Ernsthaftigkeit führen: quando el corpo el se frusta, l’anima la se giusta (wird der Körper geschlagen so wird die Seele erhaben). Auch der Pfarrer besuchte, wo es möglich war, die älteren Leute öfters zu Hause um ihnen die Kommunion zu bringen und ihnen auch die Angst vor dem letzten Besuch zu nehmen, wenn er an das Sterbebett gerufen wurde, um die letzte Ölung zu geben. Auch über dieses Ritual wurde gescherzt und so mancher sagte: che è passa el prete a ondarghe le rue (der Priester ist vorbeigekommen um ihm die Räder zu ölen). Wenn der Pfarrer sich mit dem Viatikum zu einem Sterbenden begab, wurde er, außer es handelte sich um einen besonders dringenden Fall, von vier Mitbrüdern die auf einem Stab angebrachte Laternen trugen, einem weiteren Mitbruder mit dem Baldachin und zwei Messdienern mit Weihrauch und Weihwasser begleitet. In manchen Fällen wurden auch die Glocken geläutet. Sobald man sich bewusst war, dass jemand im Sterben lag, hieß es: el va avanti come la piera in t’el quaro3 (er bewegt sich wie der Schleifstein der sich in seinem Behälter langsam aufbraucht). Man verständigte die nahen Verwandten damit sie den Sterbenden noch einmal sehen können.
Sobald der Tod eingetreten war, begab sich ein Verwandter zum Pfarrer, der sofort die Glocken läuten ließ. Für einen Mann wurde die große Glocke im Gleichton geläutet, für eine Frau die mittlere und falls es sich um ein Kind handelte, was nicht selten vorkam, die kleine Glocke. Bis zum Tag der Beerdigung wurden dann die Glocken zwei bis drei Mal täglich geläutet. Wer den Pfarrer verständigt hatte, kam meistens mit vier Kerzenhaltern zurück, die dann am Bett aufgestellt wurden. Wer zu Hause blieb, öffnete die Fenster um zu lüften; mancher glaubte es sei par liberar l’anima (um die Seele zu befreien). Der Leichnam wurde dann gewaschen und mit dem besten Gewand bekleidet, die Arme wurden auf der Brust mit einem Rosenkranz oder einem Kreuz in den Händen verschränkt. Er wurde auf ein Holzbrett gelegt und auf seinem Bett aufgebahrt, das Zimmer wurde mit einigen Blumentöpfen geschmückt. Jede Nacht, die der Verstorbene im Haus verblieb (höchstens zwei, in höher gelegenen Orten können es wegen der Schneelage auch mehrere Tage sein) verweilten einige Personen die ganze Nacht in einem anliegenden oder tiefergelegenen Raum zum tendar el morto (auf den Toten aufzupassen), um die Totenwache abzuhalten. Wenn auch Frauen anwesend waren, wurde geplaudert und es wurden Gebete gesprochen; blieben nur Männer wurde Karten gespielt, Wein getrunken und von Zeit zu Zeit sah jemand nach dem Verstorbenen.
Ein weit verbreiteter Brauch in diesen Gebieten war das Rosenkranzgebet im Haus des Verstorbenen. An den Abenden vor dem Begräbnis begaben sich Verwandte und Nachbarn aus der Umgebung zum Haus des Verstorbenen um dort, und nicht wie sonst beim abendlichen Tratsch, den Rosenkranz zu beten. Meist wurde ein Rosenkranz gebetet aber manchmal auch drei, auf die dann die Litaneien der Heiligen und der Muttergottes und weitere Gebete folgten. Nach dem Gebet wurde den Anwesenden ein Glas Wein angeboten.
Das Begräbnis fand fast immer am Morgen statt, damit die weiter weg wohnenden Verwandten am Nachmittag wieder nach Hause gehen konnten. Manchmal ging der Pfarrer zum Haus des Verstorbenen um den Leichnam vor der Sargschließung zu segnen oder er erwartete den Trauerzug am Kirchentor. In einigen Dörfern war es Brauch, Girlanden aus echten oder aus Papierblumen anzufertigen: dunkle oder rote Blumen für alte Männer und Frauen, hellblaue oder rosarote Blumen für junge Männer und Frauen, weiße Blumen für Kinder. Nur wenige Pfarren verfügten über einen von Pferden oder Ochsen gezogenen Totenwagen, in den meisten Fällen wurde der Sarg gegen Bezahlung von vier Trägern zur Schulter getragen. War der Weg sehr lang oder der Sarg zu schwer so konnten es auch acht Totenträger sein, die den Sarg entweder abwechselnd oder auf Stangen gemeinsam trugen. Die Angehörigen der verschiedenen Bruderschaften, Männer wie Frauen, trugen beim Begräbnis die jeweilige Tracht.
Alle verwandten Hausbewohner mussten Trauerkleidung tragen. Die Witwe oder der Witwer trugen ungefähr ein Jahr lang oder länger schwarze oder dunkle Kleidung; die Söhne und Töchter sechs Monate lang ein schwarzes oder dunkles Gewand und dann für sechs Monate ein schwarzes Band am Pullover- oder Jackenkragen oder am Hut. In letzter Zeit war das Band durch einen eigens dafür vorgesehenen schwarzen Knopf ersetzt worden, der am Knopfloch angebracht worden ist. Die üblichen Gedenktage an den Verstorbenen waren der setimo, trigesimo und cadodano (siebente, dreißigste und der Jahrestag), es wurde nach sieben Tagen, nach einem Monat und nach einem Jahr eine Gedenkmesse gelesen. Der caodano (Jahrestag) wurde oft jahrelang wiederholt.

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3 Der quaro (Behälter) kann ein ausgehöhltes Ochsenhorn oder ein zylindrischer Holzbehälter sein; man trägt ihn beim Mähen am Hosenbund. Das Wort stammt vom lateinischen aquarium; da der Stein zum Wetzen nass sein muss, ist immer etwas Wasser im Behälter.


DER JAHRESABLAUF

Es ist nicht bekannt, dass der Jahresbeginn besonders festlich oder lärmend erwartet wurde: am 31. Dezember ging man gegen Abend in die Kirche um feierlich das Te Deum zu singen und dann zum Tratsch, der etwas länger als üblich dauerte; man bereitete vielleicht na padelà de castagne (eine Pfanne Kastanien) und so manches Glas de graspìa (Schnaps) vor. Mehr aus Neugierde oder zum Scherz als aus echter Überzeugung warf so manches Mädchen im heiratsfähigen Alter am ersten Tag des Jahres, bevor sie von ihrem Zimmer herunterkam, die sgalmare4 (Holzschuhe) von oben zum Stufenende hinunter: blieben sie gerade und lagen sie in Richtung Tür, würde sie noch in diesem Jahr heiraten; lagen sie verkehrt, könnte es sein, dass die Verlobung aufgelöst wird; zeigten sie ins Hausinnere würde sie noch warten müssen, bevor sie heiratete. Obwohl auch keine besonderen Schiessaktionen bekannt sind, ist es nicht auszuschließen, dass besonders in der östlichen Lessinia so mancher Schuss mit dem trombin abgefeuert wurde. Am ersten Tag des Jahres war es für den Mann kein gutes Omen einer Frau zu begegnen, besonders wenn sie alt und unansehnlich war; die Frauen hielten sich vor Hausbesuchen zurück, um kein Unglück in fremde Häuser zu bringen.

Von Jahresbeginn bis zum Fest der Heiligen Drei Könige gingen die Jugendlichen in den Siedlungen a cantar la stela (Sternsingen): sie gingen mit einem großen Papierstern, der auf einem Stiel angebracht und von einer Kerze beleuchtet wird, von Haus zu Haus und sangen möglichst mit Begleitung eines Ziehharmonikaspielers eine Melodie die sich auf die Drei Könige bezieht. Von den Familien, die sie besuchten erhielten sie Äpfel, Kastanien, Nüsse oder ein Glas Wein. Am Abend der Heiligen Drei Könige wurde auf dem höchsten der nahe gelegenen Berge ein großes Stoppelfeuer entfacht, das brusar el bruièlo oder brusar la strìa (den Scheiterhaufen verbrennen oder die Hexe verbrennen) genannt wird.
Je nach dem ob Ostern »früh« oder »spät« fiel, dauerte der Fasching vom Tag der Heiligen Drei Könige bis Anfang Februar oder Anfang März. Es war ein verbreiteter Brauch bei der Jugend der Lessinia, verkleidet die verschiedenen Tratschgesellschaften aufzusuchen und dort Scherze oder lustige Aufführungen zu machen. War die Verkleidung so gut gelungen, dass sie von keinem erkannt wurden, so sagte man i ga portà ia el galo (sie haben den Hahn mitgenommen); kann es vielleicht heißen dass in alten Zeiten der Preis für die gelungenste Darstellung ein Hahn war? Man erzählte von Maskierten, die beim Weggehen einen Schauspieler zurückließen, der allem Anschein nach an einem Pfeiler lehnend schlief. Als man ihn entdeckte und versuchte ihn aufzuwecken, merkte man, dass er tot war. Hat man die Verkleidung ausgenutzt um einen Mord zu begehen oder zu verstecken? In verschiedenen Dörfern wurden während des Faschings auch echte Lustspiele oder Tragödien von Metastasio, Alfieri, Goldoni und anderen Autoren inszeniert und im kleinen Pfarrhaustheater aufgeführt. In jedem Haushalt wurden die fritole aus Mehl, Milch, Eier, Zucker, Obst oder Rosinen zubereitet und im Schmalz des kurz davor geschlachteten Schweins herausgebacken.
Ein besonders bedeutungsvolles Fest, das sowohl auf das Ende des Winters als auf den Frühlingsanfang hinweisen sollte, war das Ciamar Marzo (Märzrufen). Im Laufe der letzten zwei Februarabende und des ersten Märzabends begaben sich die Jungendlichen aus den verschiedenen Siedlungen auf einen Hügel und brachten Kübel, Kuhglocken, Metallstücke und was immer laut lärmte mit. Sie riefen sich unter Getobe und Geschrei von einem Hang zum anderen zu. In ihrem scherzhaften Gezanke vereinbarten sie Scherzhochzeiten indem sie Elemente (einen Berg mit einem Tal) oder aus Jux auch Namen (einen Krüppel mit einer alten Jungfer, einen Alten mit einer jungen Maid) vereinten; am dritten Abend dagegen scherzten sie über wirklich verlobte Paare. Es wurde ein zum Teil vorgeschriebener aber vielseitig anpassbarer Wortwechsel benutzt; verschiedene Varianten wurden gesammelt5, eine davon lautet:

- Sta per entrar marso in questa tera par maridar na puta bela? - Der März kommt in diese Länder um ein schönes Mädchen zu verheiraten
- Ci èla? Ci no èla? - Wer wird sie sein? Wer wird sie nicht sein?
- L'è la ..., che l'è la pì bela! - Es ist die ..., sie ist die schönste
- Ci ghe denti par marì? - Wen geben wir ihr als Mann?
- El ... che l'è on bel fiolo. - Den ..., er ist ein fescher Junge
- Sa ghe denti par dota? - Was geben wir ihr als Mitgift?
- Na cavra smarsa tacà a na stropa! - Eine verfaulte Ziege am Strick
- Sa ghe denti par nissoi? - Was geben wir ihr als Bettzeug?
- Quatro scorse de fasoi! - Vier Bohnenhülsen
- Sa ghe denti par cavessale? - Was geben wir ihr als Kissen?
- Na barela da sbondare! - Ein zu entrindendes Holzstück
- Gehe fenti anca la stima? - Bewerten wir auch die Mitgift?
- Metendoghe na galina insima! - Wir fügen sogar ein Huhn dazu
- Alora, gehe l'enti da dare? - Also, sollen wir sie ihm geben?
- Dendeghela! Dendeghela che l'è soa! - Geben wir sie ihm! es ist die Seine!

Nach der melancholischen Fastenzeit kam der Frühling mit dem Osterfest um die Gemüter aufzuheitern. Es war auch die Zeit der Liebe: in der Nacht vor dem Palmsonntag musste es dem Verlobten gelingen einen Palmzweig, einen Olivenzweig mit Bändern, Maschen und Süßigkeiten, heimlich vor das Haus der Verlobten zu bringen. Trug sie am nächsten Tag den Zweig bei der Prozession, bestätigte sie ihre Liebe. Er musste jedoch aufpassen, dass Neidische oder Rivalen nichts merkten. Sie könnten die Palme mit einer Puppe ersetzen, die einen Alten darstellte und an die vielleicht sogar eine siatira (Satire) gehängt wurde. Zu dieser Zeit war die Anteilnahme an allen religiösen Feiern sehr groß, auf den Tischen jeder Familie gab es immer einen Teller mit hartgekochten Eiern, die Hausfrauen wetteiferten in der Zubereitung der fogasse de Pasqua, brassadèle, colombete, … (verschiedene Osterkuchen) die mit Butter und Milch zubereitet und mit Zucker und Eidotter verziert wurden.
Der Mai war ein schlechter Monat zum Heiraten, er wurde el mese dei mussi (der Monat der Esel) genannt, da in diesem Monat die Esel brunftig sind. Am ersten Maitag war es den Jungen erlaubt die eingebildetsten Mädchen zu hänseln, man nennt es fandonghe i mussi (die Esel schenken). Mit Stöcken und Lumpen fabrizierte man einen Esel mit einer angehefteten siatira (Satire) , die an das zu verspottende Mädchen gerichtet war. Das ganze wurde dann heimlich auf einen Baum in der Nähe des Hauses der Betroffenen angebracht. Auf dem Esel saß manchmal eine Person, die den unerwünschten Freier darstellen sollte.
Eine besonders bedeutungsvolle Nacht war die Nacht vom 23. auf den 24. Juni: la note de san Goani (die Nacht des Hl. Johannes). Am Abend legten die Frauen auf die sauberen Wiesen Baumwolltücher aus, die am Morgen eingeholt und ausgewrungen wurden: mit diesem Wasser bereiteten sie el levà (den Germteig) für das Brot. An diesem Tag mussten die Heilkräuter gesammelt werden. Sie wurden im Schatten getrocknet damit sie ihre Wirkung nicht verlieren. Wurde an diesem Tag ein Geranienzweig oder eine andere Blume vom Stock gebrochen und ans Fenstergitter gesteckt, würde sie trotzdem blühen und auch bis zum Winter grün bleiben. Ein an diesem Tag gelegtes Ei wurde aufgehoben um in der Nacht des 28. Juni la barca de san Piero (das Boot des Hl. Peter) anzufertigen. Und dann, wollte ein Mädchen heiraten, reichte es, dass es sich in dieser Nacht nackt im Gras wälzte um vor Jahresende einen Bräutigam zu finden.
In den Sommer- und Herbstmonaten herrschte rege Feldarbeit: die Heuernte, Mähen und Dreschen, die Ernte der Kastanien, Trauben und anderer Früchte lassen wenig Zeit zum Nachdenken. Die Jugend verdiente nicht nur etwas Geld mit der Zeitarbeit, man hatte auch die Möglichkeit sich zu treffen und an den verschiedenen Dorffesten teilzunehmen.
Am ersten Novembertag war es in vielen Familien Brauch, den Tisch gedeckt und das Feuer im Kamin brennen zu lassen, da man glaubte, dass in dieser Nacht die Toten zu ihren Häusern zurückkehrten. In einigen Dörfern wurden die Glocken von Gruppen Jugendlicher, die sich die ganze Nacht hindurch abwechselten, geläutet. Nach Mitternacht bereiteten die Frauen in einem nahegelegenen Haus Gnocchi und so manches Glas Glühwein für die Glockenläuter vor.
Die Kinder aller Siedlungen der Lessinia erwarteten sehnsüchtig die Nacht zum 13. Dezember, Santa Lucia kam um sie mit Geschenken zu bescheren: eine Kastanienkette, eine von der Mutter oder der Großmutter genähte Stoffpuppe für die Mädchen und vom Vater gebastelte Holzspielzeuge für die Buben, einige Bonbons oder Pralinen, einige getrocknete Feigen oder Johannisbaumbrote oder in letzter Zeit Orangen oder Mandarinen.
In manchen Häusern ließ man das Feuer auch in der Heiligen Nacht brennen. Im Laufe des Jahres wurde ein besonderer Baumstamm, der vielleicht zu hart war um zerkleinert zu werden aufbewahrt. Er wurde la soca de Nadal (Weihnachtsklotz) genannt und in den Kamin gelegt. Den Kindern erzählte man, dass die Heilige Familie vorbeikommen könnte und die Windeln des Christkindes trocknen möchte. Wahrscheinlich stammte der Brauch vom Wunsch her, bei der Heimkehr aus der Mitternachtsmette ein warmes Haus vorzufinden.

Anmerkung: Alle Sprachbeispiele dieses Artikels stehen in der Mundart des Veneto.

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4 Es handelt sich um schwere handgemachte Schuhe oder Schlüpfer mit einer Holzsohle und einer Lederoberhaut.
5 Vgl. E. BONOMI, Vita e tradizione in Lessinia, Verona, 1982, Seiten 188-191

DIE SPRACHGEMEINSCHAFT

Der sprachliche Assimilierungsprozess der Zimbernsprache in der Lessinia unterlag einem langsamen aber stetigen Verfall der Sprache, was zu einem unvermeidlichen Eingriff in die sprachliche und kulturelle Einheit der Lessiner Familien führte. Dieser anfangs langsame, sprachliche und kulturelle Übergang führte zur heutigen Situation, in der laut inoffizieller Schätzungen die aktiv sprechenden Einwohner an die 80 sind, von denen ungefähr 30 in Ljetzan Giazza leben, der letzten »zimbrischen« Sprachinsel der Dreizehn Gemeinden von Verona.
Laut der gleichen Schätzungen soll es im ganzen Gebiet der Provinz Verona an die 150 passiv sprechende Einwohner geben.

Napoleonische Völkerzählung des Jahres 1810 der 13 Gemeinden von Verona nach Sprache
Gemeinden Aktiv Sprechende
Azzarino 199
Campofontana (Ortsteil Selva) 166
Roverè di Velo 2579
San Bartolomeo al tedesco 662
Selva di Progno (mit Ljetzan) 383
Velo 1265
Insgesamt 5254

 

Einwohnerzahl der Pfarren des zimbrischen Gebietes der Lessina von 1553 bis 1700
Bischhöfliches Archiv von Verona (aus den Registern der Pastoralbesuche)
Pfarren der Lessinia 1553 1592/93 1613 1634 1657 1671 1700
Badia Calavena - - - - 1300 1000 1250
Campofontana - - 350 300 220 294 285
Cerro 180 500 - - 250 240 400
Chiesannuova 1000 1300 - - 1100 1200 1320
Erbezzo - 300 - - 500 500 600
Rovere di Velo 390 1000 1600 546 800 700 713
San Bartolomeo - 500 360 265 390 529 547
San Mauro Saline 500 900 850 - 500 400 -
San Vitale 500 - 180 - - 100 561
Selva di Progno - 250 600 280 400 325 561
Val di Porro - 350 - - 100 300 340
Velo Veronese 750 1110 950 506 500 780 560
Gesamt 4373 6200 4350 1897 6070 6260 7033

Heute ist die zimbrische Sprache nicht einmal mehr unter den aktiv Sprechenden Umgangssprache, ein extrem negativer Faktor, der nicht dazu beiträgt, den endgültigen Verlust des aktiven Sprachgebrauchs zu verlangsamen. Sie ist zu einer Mundart mit rein historischen und kulturellen jedoch sicherlich nicht greifbaren Merkmalen geworden.
In einzelnen Fällen wurden einige Worte übernommen, es handelt sich um kleine Sätze und Wiegenlieder für die Kinder im Familienkreis. Der Sprachgebrauch beschränkt sich auf Begrüßungsformeln oder Gelegenheitssätze. Die nicht abgewandelten Ortsnamen werden dagegen allgemein benutzt. In dieser Situation ist es äußerst schwierig, wirksame Schulungsmaßnahmen zu ergreifen.
Seit Jahren wird ein freiwilliger, außerschulischer Abendkurs für aktiv Sprechende und Lernwillige der zimbrischen Sprache abgehalten. Er wird »Tzimbar Lentak– Cimbro Vivo« (lebendes Zimbrisch) genannt, ein Name der für die Situation bezeichnend ist. Dieser Kurs wird vom Zimber Museum von Ljetzan Giazza unter der Führung der Kulturgesellschaft Curatorium Cimbricum Veronense organisiert, die sich seit 25 Jahren mit der Bewahrung und dem Schutz der Sprache, der Kultur, der Traditionen und der Folklore der Zimbern der Lessinia beschäftigt.
Im Einklang mit dieser jahrelangen Erfahrung wird seit vier Jahren in der Volksschule der Gemeinde Selva di Progno ein Kurs über zimbrische Sprache und Kultur gehalten. Dieser Kurs, der im Rahmen der Schulautonomie eine Stunde pro Woche für die Kinder der letzten Klassen abgehalten wird, nennt sich Bar bia iar – Noi come Voi (Wir wie Ihr). Im Rahmen des Gesetzes 482 wurden sowohl für Schüler als für Lehrer verschiedene Projekte für offizielle Sprachkurse entwickelt. Man erinnert sich auch noch an Gebete in zimbrischer Sprache die aber teils auch aus mangelnder Sensibilität dem Problem gegenüber in den Gottesdiensten nicht mehr benutzt werden.
Um in das große Problem der heutigen sprachlich kulturellen Vereinheitlichung einzugreifen, setzt man auch auf die Wirkung der Massenkommunikationsmittel. Eine Internetadresse, eine Videokonferenzverbindung, eine Nachrichtensendung, ein Webradio usw. stehen zur Verfügung.
Das Projekt zur Einrichtung eines Satellitenradios, um alle sprachlich kulturellen Instanzen in Europa zu Wort kommen zu lassen, ist ein weiteres Mittel, das zum Überleben, zur Verbreitung und vielleicht auch zur Wiedereinführung des großen europäischen Sprachgutes beitragen und das Problem der Minderheiten unter einem »multikulturellen« Aspekt der Öffentlichkeit nahe bringen könnte.

DAS KULTURELLE LEBEN

Die Kulturgesellschaft CURATORIUM CIMBRICUM VERONENSE (ohne Profit)
Die Kulturgesellschaft Curatorium Cimbricum Veronense Gesellschaft (die auch mit dem Namen »Cimbri della Lessinia« bekannt ist) mit Sitz in Giazza di Selva di Progno (Verona) im Völkerkundemuseum »G.Cappelletti«, wurde offiziell mit notarieller Urkunde im Februar 1974 gegründet.
Vor kurzem wurden die Statuten anlässlich der außerordentlichen Generalversammlung der Mitglieder, die in Velo Veronese (Provinz Verona) stattfand, erneuert und abgeändert und beim Amt für Zivilakten des Registeramtes von Soave (Verona) hinterlegt.
Die in den Statuten festgehaltenen Ziele und Zwecke der Gesellschaft beziehen sich hauptsächlich auf kulturelle Tätigkeiten wie die Wiederentdeckung, den Schutz und die Verbreitung der Sprache, der Geschichte und der Traditionen der »Zimber« Gemeinschaften auf der Hochebene der Lessinia unter besonderer Berücksichtigung der Bewohner und des Dorfes von Giazza, wo an die sechzig Einwohner immer noch diese alte deutsche Sprache sprechen. Die Gesellschaft wird von einem Präsidenten und einem Vizepräsidenten mit Hilfe eines Verwaltungsrates, weiterer sieben Räte, eines Rechnungsprüferkollegiums und einem aus drei Mitgliedern bestehenden Schiedsrichterteams, das sich auch mit der Koordinierung der Tätigkeiten des Curatoriums befasst, geführt.
Die drei Vorstandsgremien werden alle vier Jahre von der Mitgliederversammlung gewählt. In der jährlichen Versammlung werden die Jahresabschlussrechnung und das Programm der Aktivitäten und Initiativen des neuen Jahres und das dazugehörige Budget vorgestellt, diskutiert und genehmigt. Die Beschlüsse, die sich auf die Abschlussrechnung und die Programmvorschau beziehen, werden regelmäßig in beglaubigter Abschrift an die Comunità Montana der Lessinia, an die Region Veneto, an die Provinz Verona, an die Fondazione Cariverona, an das Konsortium Bim Adige-Verona und an andere öffentliche Ämter der Provinz gesandt.
In den ersten 10 Jahren wurde die Gesellschaft von Giovanni Faè geführt, der auch einer der Gründer und der Direktor der Zeitschrift war, des offiziellen Organs des Kuratoriums, die anfänglich den Namen »Vita di Giazza« dann »Vita di Ljetzan-Giazza« und weiter »Vita di Giazza e di Roana« trug; später wurde der Zeitungstitel in »Terra Cimbra« abgeändert und bis 1979 beibehalten; von der Zeitschrift wurden über einhundert Heftnummern mit insgesamt 2000 Seiten herausgegeben.
Im Jahr 1979 hat eine andere Gruppe von Mitgliedern die Führung der Gesellschaft und der Zeitschrift übernommen – die den Namen auf den heutigen »Cimbri – Tzimbarn« änderte. Sie befasste sich sowohl mit dem halbjährlichen Druck der Zeitschrift als auch mit der Herausgabe einer Jahreszeitschrift und anderer unregelmäßig erscheinender und ergänzender Werke mit einer neuen Prägung und einer neuen Einstellung.
Die neue Verwaltung hat 28 Ausgaben der Zeitschrift zu je circa 150 Seiten, 6 ergänzende Hefte zu je 70 Seiten, 20 Ausgaben des Heftes »Cimbrinotizie« zu je 12 Seiten von denen 3500 Exemplare gedruckt und kostenlos an die Schüler der Volks- und Mittelschule der Lessinia verteilt wurden, herausgegeben.
Es wurden auch 4 Hefte zu je 36 Seiten der »Taschenbuch« Reihe gedruckt (»La carbonàra«, »La calcàra«, »I trombini«, »La giassàra«). Gedruckt wurden auch 2000 Exemplare einer Sonderausgabe »Orchi, anguane fade« und Berichte über ein Treffen, das in den Colli Berici von Vicenza stattfand.

MITGLIEDER
Als der Verwaltungsrat 1979 erneuert wurde, zählte die Kulturgesellschaft 21 Mitglieder, heute sind es 400.

DAS ZIMBERMUSEUM DER LESSINIA
Das Museum befindet sich im Besitz der Comunità Montana der Lessinia, die es aber seit der Eröffnung (1972) der Leitung und Verwaltung des Curatorium Cimbricum Veronense überlassen hat. Im Jahr 1998 wurde es vollständig renoviert, die Ausstellungsräumlichkeiten und die Lehrrouten neu gestaltet. Die jährlichen zahlenden Besucher belaufen sich auf 2300. Die Comunità Montana der Lessinia hat kürzlich das Museum mit einem »Internet-Server« ausgestattet, der alle acht Anschlüsse verbindet, die sich in den ebenso vielen Räumlichkeiten der Gemeinden, die zu den ehemaligen Dreizehn Zimber Gemeinden von Verona gehörten, befinden.
Seit Oktober 2002 ist das Museum auch der offizielle Gesellschafts- Führungs- und Verwaltungssitz der Gesellschaft, deren Präsident Giovanni Molinari und Vizepräsident Vito Massalongo sind. Das Museum wird von Frau Marisa Vantini geführt.
Hier befindet sich auch die Zentrale für die sprachlich-kulturellen Zimbern-Angelegenheiten (Gesetz 482/99), das multimediale und das auf Papier festgehaltene Dokumentationszentrum der Zimbern der Lessinia sowie die Redaktion und die Funkstelle des Webradios und das MW-Radio Cimbri-Lessinia, das auch vom Kuratorium Cimbricum Veronense geführt wird.

DIE VERWALTUNG DER GESELLSCHAFT
Seit dem 20. Jänner 2001 sind laut Statut folgende Gremien im Amt:
a Der Präsident (Giovanni Molinari)
b Der Vizepräsident (Vito Massalongo)
c Die Räte: Alessandro Anderloni, Ezio Bonomi, Elisa Caltran, Vito Massalongo, Nadia Massella, Marzio Miliani, Giovanni Molinari, Giovanni Rapelli, Aldo Ridolfi.
d Die Schiedsrichter: Attilio Benetti (Präsident) Carlo Caporal, Bruno Mesaspà.
e Die Rechnungsprüfer: Clementina Presa, Carlo Capobianco, Bruno Corradi.
f Das wissenschaftliche Komitee: Ezio Bonomi (Präsident), Giovanni Rapelli, Aldo Ridolfi.
g Das offizielle Gesellschaftsorgan: (die sechsmonatige Zeitschrift) Cimbri-Tzimbar« und das Heft für Schüler und Familien (jährlich) »Cimbrinotizie«
h Der für die Zeitschrift verantwortliche Direktor: Piero Piazzola
i Der Vizedirektor: Carlo Caporal.

ANERKENNUNG DURCH DIE ÖFFENTLICHKEIT
Das Curatorium Cimbricum Veronense wurde auf regionalem Gebiet mit Gesetz 73 des Jahres 1994 anerkannt und erhält daher einen Zuschuss.
1. Die Anerkennung seitens der Provinzverwaltung von Verona ist angelaufen, sie hat jedoch noch nie Zuschüsse genehmigt.
2. Die 8 Gemeinden der Lessinia, wo man einst Zimbrisch sprach, haben das Curatorium Cimbricum Veronense als die einzige Veroneser juridische Einrichtung zum Schutz der Zimbernkultur anerkannt.
3. Das Curatorium Cimbricum Veronense wurde seitens der Montangesellschaft der Lessinia als »Übergemeindliche Gesellschaft zur Verbreitung der Kultur in der Lessinia« anerkannt.

VERANSTALTUNGEN

I. Es wurden 15 »Feste dei Cimbri« (Feste der Zimbern) in den verschiedenen einst zu den ehemaligen Dreizehn Veroneser Gemeinden gehörenden Örtlichkeiten veranstaltet. Das Zimbernfest findet jedes Jahr in einer anderen Gemeinde statt.
II. Es wurden in Giazza vier »Feste del Fuoco« (Feste des Feuers) in Zusammenarbeit mit dem Fremdenverkehrsbüro »Ljetzan-Giazza« und dem A.P.T. (Fremdenverkehrsverein) Nr. 13 von Verona organisiert; im Jahr 2002 wurde der Fremdenverkehrsverein abgeschafft und die Feier wurde nur vom Kuratorium und dem Tourismusbüro unterstützt.
III.Es wurden mit großem Erfolg bereits 8 Veranstaltungen eines Filmfestivals gefördert und durchgeführt; die erste in Bosco Chiesanuova, dann in Erbezzo und nun mit endgültigem
IV. Sitz in Cerro Veronese.
V. Es wurden 12 Kulturreisen in verschiedene deutsche Sprachinseln des Alpenraumes sowie eine Reise nach Bayern, eine nach Salzburg und eine nach Bern (Schweiz) organisiert.
VI. Im November 1987 wurde ein erstes erfolgreiches Kulturtreffen in Tregnago abgehalten, um die »700 anni di storia cimbra veronese« (700 Jahre Veroneser Zimberngeschichte) zu feiern, es wurde auch die diesbezügliche Dokumentation gedruckt; ein zweites Treffen fand am 5. Juli 1997 in Cerro Veronese mit dem Titel »Lessinia, terra die Cimbri« (Die Lessinia, Land der Zimbern) statt, mit Sammlung der Akten; das dritte Treffen war im Juli 2001 in Bosco Chiesanuova mit dem Thema »L’Archi- tettura in Lessinia« (die Architektur der Lessinia).
VII. Am 18. September 1999 wurde in Verona das dritte Kulturtreffen mit dem Titel »Antichi Tedeschi a Verona« (Alte Deutsche in Verona) abgehalten.
VIII. In den Monaten September und Oktober des Jahres 2000 wurde in den Räumlichkeiten der Gemeindebibliothek von Verona eine Ausstellung mit dem Titel »I Cimbri: duemila anni tra storia e leggenda« (Die Zimbern: zweitausend Jahre zwischen Geschichte und Legende) organisiert, die von circa 2000 Personen besucht wurde.Anschließend hielt man einen Kongress mit dem Titel »Antichi Tedeschi a Verona« (Alte Deutsche in Verona) ab. Die Dokumentation veröffentlichte man in der Zeitschrift.
IX. Seit dem Jahr 1989 wurden 14 Hauptversammlungen und eine außerordentliche Hauptversammlung in den verschiedenen Örtlichkeiten der Dreizehn Gemeinden einberufen, die immer gut besucht waren. Im Jahr 2002 hat das Kuratorium zum Beispiel 14 offizielle Sitzungen einberufen, und weitere 14 anlässlich von Veranstaltungen, Delegationsbesuchen und aus zweckdienlichen Anlässen.
X. Bis zum vergangenen Jahr wurden in den Räumlichkeiten der Volksschule von Giazza, und im vergangenen Jahr in Selva di Progno, Kurse zur Wiedererlernung der zimbrischen Sprache und der Verbreitung und Kenntnis der lessinischen Kultur veranstaltet. Die letzte Veranstaltung ermöglichte die Herausgabe eines Comicsheftes mit dem Titel »Bar lirnan tauç« (wir lernen Zimbrisch).
XI. Das Museum hat an vielen Messen und Kulturveranstaltungen teilgenommen. Im Jahr 1999 vertrat das Museum die Lessinia bei sechs Veranstaltungen:  in Aiola Emilia, in Gonzaga, in Venedig,  bei den Museen im Veneto, bei der Mustermesse »Sant’Ambrogio« und in Gorizia.

ÖFFENTLICHE UND PRIVATE FINANZIERUNGEN
Bis zum heutigen Tage erhielt das Kuratorium finanzielle Unterstützung von folgenden Einrichtungen:
1. Comunità Montana della Lessinia
2. Fondazione Cariverona – Verona
3. Region Veneto (Regionalgesetz Nr. 73, 1994)
4. Freiwillige Zuschüsse der Mitglieder (aber in sehr geringem Maß)
Das Kuratorium erhält durch die Mitgliedsbeiträge circa 6.000 Euro im Jahr (die Jahresquote beträgt 15,50 Euro)

ZUKUNFTSAUSSICHTEN
Die Zukunftsaussichten sind ziemlich entmutigend. Die oben genannten offiziellen Stellen verfügen über Budgets, die jedes Jahr kleiner werden. Dem Kuratorium fehlt daher jene wirtschaftliche Sicherheit, die für die Planung und Durchführung der Projekte unerlässlich ist.
Von den Mitgliedern selbst wird nicht viel beigetragen.